EnBW hat vorerst eine Sorge weniger: Sie muss das Aktienpaket des drittgrößten deutschen Gasimporteurs VNG in Leipzig nicht sofort übernehmen.

Stuttgart - Der Karlsruher Energieversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat vorerst eine Sorge weniger. Die EnBW muss das Aktienpaket des drittgrößten deutschen Gasimporteurs VNG in Leipzig nicht zum jetzigen Zeitpunkt vom Oldenburger Energieversorger EWE übernehmen. Das entschied die außerordentliche Hauptversammlung der VNG in Leipzig. Damit entgeht die EnBW einem überteuerten Investment. Denn der Preis von 1,4 Milliarden Euro, den die Karlsruher für das VNG-Paket hätten zahlen müssen, liegt deutlich über dem Marktwert. Wegen stark gefallener Gaspreise rechnet die VNG mit großen Verlusten; die Rede ist von einem Defizit von 350 Millionen Euro. Die EnBW müsste, kaum dass sie bei der VNG eingestiegen wäre, die Beteiligung bereits abschreiben.

 

„Wir nehmen die Entscheidung der Hauptversammlung erfreut zur Kenntnis“, kommentierte ein EnBW-Sprecher deshalb wenig überraschend die Nachricht aus Leipzig. Nun könne pragmatisch über neue Bedingungen und auch über einen neuen Preis für den VNG-Aktienkauf verhandelt werden, sagte er. Die EnBW habe weiterhin ein Interesse, bei der VNG einzusteigen, um das eigene Gasgeschäft zu stärken.

Strategisches Ziel

Der scheidende EnBW-Chef Hans-Peter Villis hatte den Ausbau der Gassparte zum strategischen Ziel erklärt. Die VNG spielte dabei eine Schlüsselrolle. Denn das Unternehmen gilt in der Branche als „ostdeutsche Ruhrgas“ und Schlüssel zum hiesigen Gasgeschäft. Um den kommunalen Eignern der VNG , die eine Mehrheitsübernahme durch die EnBW befürchten, etwas entgegenzusetzen, verhandeln die Karlsruher derzeit auch mit dem russischen Gaslieferanten Novatek über eine mögliche Weitergabe der Anteile

Die EWE, der ein gutes Geschäft durch die Lappen gegangen ist, zeigte sich angesichts der Abstimmung auf der Hauptversammlung enttäuscht. „Möglicherweise hat auch das Verhalten der EnBW in den letzten Wochen dazu beigetragen, dass die übrigen Aktionäre die Zustimmung zur Übertragung letztlich verweigert haben“, sagte ein Sprecher im Blick auf die von EnBW angekündigte Klage im Falle einer Zustimmung. Der Sprecher ergänzte: „Wir haben nichts verloren. Auch nach der Entscheidung von heute stehen uns weiterhin alle Optionen offen.“ Tatsächlich könnten die Oldenburger die EnBW erneut unter Kaufdruck setzen.

Klausel von vor zwei Jahren

Verantwortlich dafür ist eine Klausel, die beim Einstieg der Karlsruher bei der EWE vor zwei Jahren vereinbart worden ist. Demnach muss die EnBW ihre EWE-Anteile den EWE-Eignern zum Rückkauf anbieten, sofern es einen Kontrollwechsel bei den Karlsruhern gibt. Ob es einen solchen Wechsel im Sinne der Klausel gegeben hat, müsse im Zweifel juristisch geprüft werden, heißt es dazu bei der EnBW .

Die EWE hingegen ist davon überzeugt, dass die Klausel in diesem Jahr wirksam geworden ist. Immerhin habe das Land Baden-Württemberg dem französischen Energiekonzern Électricité de France (EdF) im Februar seinen 45-Prozent-Anteil an der EnBW abgekauft. Das Interesse der EnBW an einer Rückabwicklung des EWE-Einstiegs dürfte gering sein. Die Oldenburger müssten für einen Rückkauf heute deutlich weniger zahlen als die EnBW vor zwei Jahren für den 26-prozentigen Anteil auf den Tisch gelegt hatte. Schon damals war klar, dass Villis der EWE so etwas wie eine strategische Prämie für den Zugriff auf die VNG-Anteile gezahlt hatte, als er für zwei Milliarden Euro in Oldenburg einstieg. Inzwischen mussten die Karlsruher ihre EWE-Beteiligung mehrfach abwerten.

Darüber hinaus ist die EWE-Beteiligung nach Villis’ Worten auch ohne eine Übernahme der VNG-Anteile strategisch sinnvoll. Die beiden Unternehmen könnten beim Gaseinkauf sowie dem Erwerb und der Instandhaltung von Windkraftanlagen sparen, hielt er Kritikern des Geschäfts entgegen. Diese hatten jedoch von einer Minderheitsbeteiligung gesprochen, die ohne den Zugriff auf die VNG „nicht zu gebrauchen“ sei.