Der neue Formel-1-Champion Nico Rosberg beendet völlig überraschend seine Karriere – auch weil es am besten ist, am Höhepunkt der sportlichen Laufbahn aufzuhören. Aber das ist nicht der einzige Grund. Und Lewis Hamilton stichelt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Am vergangenen Sonntag ist Nico Rosberg zum ersten Mal Formel-1-Weltmeister geworden. In den Tagen danach zeigte er sich bei einem Mercedes-Sponsor in Kuala Lumpur oder im Rathaus seiner Geburtsstadt Wiesbaden in bester Feierlaune – mit so vielen Emotionen hatte nicht einmal Frohnatur Sebastian Vettel seinen ersten Titelgewinn zelebriert. Und am Freitag, also nur fünf Tage nach dem Erfolg in Abu Dhabi, ist alles aus.

 

Nico Rosberg wirft hin, er hört auf, er beendet am Höhepunkt seines Sportlerdaseins seine Karriere. Einfach so. Seinen Arbeitgeber Mercedes dürfte die Nachricht getroffen haben wie der Blitz. Der Vertrag des 31 Jahre alten Rennfahrers endet eigentlich erst 2018. Warum? Zwei Schlüsse lässt dieser Schritt zu: Nach dem Erklimmen des Gipfels aufzuhören – nichts kann schöner sein. Oder steckt doch auch die Angst dahinter, dass der knallharte Teamrivale Lewis Hamilton nach seiner bitteren Niederlage in der Saison 2017 erbarmungslos zurückschlagen könnte?

Darüber werden sich in den nächsten Tagen die Fachleute das Hirn zermartern. An diesem Samstag besucht Rosberg erst einmal das Sindelfinger Mercedes-Werk – aus der angedachten feierlichen Präsentation vor den Daimler-Mitarbeitern wird ein trauriger Abschiedsbesuch. „Seit 25 Jahren im Rennsport war es immer mein Traum, mein einziges, großes Ziel, Formel-1-Weltmeister zu werden“, sagt Nico Rosberg.

„Es ist eine mutige Entscheidung von Nico“

Als habe ihn diese durchaus lange Zeit des Wartens über die Jahre hinweg mental auch ein bisschen zermürbt, ihn müde gemacht, begründet er seinen Rückzug vor allem mit dem Verlangen nach mehr Privatleben. „Ich musste viel dafür opfern, aber trotz all dieser harten Arbeit, dieser Schmerzen und dem ganzen Verzicht war dies immer mein Ziel geblieben“, sagt Rosberg über den für ihn so wichtigen Titel. „Jetzt ist es so weit, ich habe den Berg erklommen, und es fühlt sich richtig an.“

Nico Rosberg zieht es in den Schoß seiner jungen Familie. Auf sie hatte die schwierige Saison, in der er „jeden Stein umgedreht“ hatte, um endlich Weltmeister zu werden, große Auswirkungen. „Natürlich hatte dies auch einen Einfluss auf meine Familie, die ich sehr liebe – es war ein riesiger Aufwand für uns. Wir haben auf viele Dinge verzichtet für das eine große Ziel, alles wurde ihm untergeordnet“, erzählt der Rennfahrer – und seiner Ehefrau Vivian könne er gar nicht genug danken.

Der Mercedes-Sportchef Toto Wolff zollte dem überraschenden Rückzug des Piloten Respekt. „Es ist eine mutige Entscheidung von Nico und ein Beweis für die Stärke seines Charakters“, sagte der Österreicher. Rosberg habe sich ausgesucht, auf dem Höhepunkt seiner Karriere aufzuhören – als Weltmeister, als einer, der seinen Kindheitstraum erfüllt habe. „Die Klarheit, mit der er dieses Urteil gefällt hat, hat mich dazu bewegt, seine Entscheidung sofort voll zu akzeptieren, nachdem er mich informiert hatte“, sprach Wolff.

Nun endet eine Karriere, die nicht nur aus dem komplizierten Zusammenspiel mit Lewis Hamilton bei Mercedes bestand; dem sogenannten Krieg der Sterne. Als Rosberg 2006 erstmal die Formel-1-Bühne betrat, musste er ausgerechnet beim Williams-Team, mit dem sein Vater Keke Rosberg 1982 Weltmeister wurde, dem guten Ruf seines Nachnamens gerecht werden. Das gelang ihm mit guten Ergebnissen. Doch als er mehr wollte und damit anfing, die beschränkten Möglichkeiten des britischen Rennwagens zu kritisieren, fiel er beim Teameigner Frank Williams öfter mal in Ungnade.

Lewis Hamilton spottet

Nach vier beschwerlichen Williams-Jahren folgte endlich der Ruf von einem Topteam. Mercedes machte sich mit Rosberg und dem Rückkehrer Michael Schumacher auf, als „deutsche Formel-1-Nationalmannschaft“, wie es Konzernchef Dieter Zetsche formulierte, wieder Weltmeister zu werden. In der gemeinsamen Zeit mit Schumacher (2010 bis 2012) hatte Rosberg den Rekordchampion sportlich meist im Griff – stand aber doch nur im Schatten des großen Schumi. Und dann kam Hamilton.

Der Dauerzwist mit seinem ehemaligen Jugendfreund hielt das Mercedes-Team in Atem. Noch auf den letzten Metern der gemeinsamen Zeit gab Hamilton am Freitag eine Spitze in Richtung des Kollegen zum Besten: „Zum ersten Mal hat er in 18 Jahren gewonnen, da war es keine Überraschung, dass er aufhört.“

Das unterkühlte Verhältnis konnten die Sternfahrer zum letzten gemeinsamen Rennen nicht verheimlichen. Höhepunkt der ewigen Streitereien war das Rennen 2014 in Spa, als der Deutsche sich auch mal wehrte und den Briten abräumte. Damals verurteilten die Mercedes-Chefs Rosbergs Verhalten und nagelten ihn öffentlich an die Wand. Das hatte viel in ihm ausgelöst: Frust über Wochen. Und er stellte sich wohl auch die Frage, im richtigen Team zu sein.

Der Druck war gestiegen

Nico Rosberg berappelte sich – was sollte er auch tun. In Barcelona kamen sich die Mercedes-Fahrer 2016 auf der Strecke noch einmal ins Gehege, aber Rosberg reifte an der angespannten Situation, wurde selbstbewusster, frecher – und brachte so konstante Leistungen, dass er seine nervenaufreibende Rennfahrerlaufbahn endlich mit dem Titel krönte.

Weltmeister! Wie Vater Keke! Diese Karriere hat Nico Rosberg doch noch vollendet. Als er in Suzuka das Rennen gewann, wähnte er den Titel bereits in seinen Händen. Der Druck war gestiegen, und er habe damit begonnen, darüber nachzudenken, den Rennsport als Weltmeister aufzugeben. „Am Sonntagmorgen in Abu Dhabi, da wusste ich: Dies hier könnte dein letztes Rennen sein“, sagte der Champion. Dann kam das Rennen, nach ihm der Titel – und nun sagt Nico Rosberg einfach Adieu.