Dem Justiz- und Familienministerium ist bei der Information der Bundestagsabgeordneten zur Frauenquote ein folgenreicher Fehler unterlaufen.

Berlin - Kleines Wort, große Wirkung. Gerade für das Bundesjustizministerium ist es keine neue Erfahrung, dass es bei der Ankündigung von Gesetzesvorhaben auf jedes Wort ankommt. Das weiß natürlich auch Justizminister Heiko Maas (SPD), der selbst Jurist ist. Dennoch ist Maas und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) ein folgenreicher Fehler unterlaufen. Nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses informierten die beiden Ressortchefs die Bundestagsabgeordneten am vergangenen Mittwoch in einem „Liebe-Freunde-Brief“ über die Ergebnisse zur Frauenquote. Die Rundschreiben heißen so, weil sie an die politischen Freunde in den Fraktionen gerichtet sind.

 

Nach einem Koalitionsausschuss ist es nicht ungewöhnlich, dass die zuständigen Ministerien über die Resultate informieren, die von den Partei- und Fraktionschefs erzielt worden sind. Mit den Auskünften sollen Abgeordnete, Fraktions- und Ministeriumsmitarbeiter auf den neuesten Stand gebracht werden. Da die Frauenquote in SPD-geführten Ressorts vorbereitet wird, waren Schwesig und Maas für die Information der Abgeordneten zuständig. Beide Minister haben das Schreiben an die Parlamentarier unterzeichnet. Nun stellt sich heraus, dass sie die Ergebnisse falsch wiedergegeben haben.

Kleines Wörtchen – großer Unterschied

Obwohl die Ressorts seit Monaten mit der Einführung der Frauenquote beschäftigt sind, stolperten die Minister über das komplizierte Gestrüpp von Vorschriften. In der Sache geht es darum, welche Unternehmen die Vorschriften zur Frauenquote einhalten müssen. Da sind zum einen die 109 großen, in der Regel börsennotierten Konzerne, für deren Aufsichtsräte von 2016 an eine Frauenquote von 30 Prozent gelten muss. Über diesen Punkt gaben Maas und Schwesig richtig Auskunft.

Darüber hinaus will die Regierung für rund 3500 Unternehmen die Pflicht einführen, Zielgrößen aufzustellen, wie der Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und den beiden darunter liegenden Managementebenen erhöht wird. Maas und Schwesig wollten von Anfang an erreichen, dass mitbestimmungspflichtige Unternehmen, das sind Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten, solche Zielgrößen entwickeln. In dem Schreiben an die Parlamentarier heißt es aber, diese Pflicht solle für börsennotierte oder „voll mitbestimmungspflichtige“ Unternehmen gelten. Das macht einen großen Unterschied: Denn „voll mitbestimmungspflichtig“ sind Unternehmen erst ab 2000 Mitarbeitern. Bliebe es bei dieser Definition, wären deutlich weniger Firmen von dem Gesetz berührt als von der SPD geplant.

Ein Steilpass für die Gegner der Frauenquote

Nachdem die Stuttgarter Zeitung am Samstag über die Wandlung berichtet hatte, reagierten die Ministerien umgehend. Zunächst wiesen die beiden Häuser die Berichterstattung zurück. Doch das Dementi erschien wenig überzeugend, schließlich hatten die beiden Minister die Informationen im Rundschreiben bestätigt. Kleinlaut mussten die Ressorts denn am Montag einräumen, es habe sich um ein „Büroversehen“ gehandelt. In das Schreiben, das an alle Bundestagsabgeordneten ging, habe sich ein Lapsus eingeschlichen. Tatsächlich seien von der Pflicht, Ziele für den Frauenanteil in Aufsichtsrat, Vorstand und Management zu formulieren, nicht die „voll mitbestimmungspflichtigen“ Unternehmen, sondern „mitbestimmungspflichtige“ Betriebe betroffen. Damit gilt die Vorschrift schon für Betriebe mit mindestens 500 Mitarbeitern. Dies soll im Gesetzentwurf, der in der kommenden Woche im Kabinett beraten wird, klargestellt werden.

Mit dem unglücklichen Schreiben gaben die beiden Minister den Kräften in der Koalition Auftrieb, welche die Frauenquote ablehnen: Vor allem der CDU-Wirtschaftsflügel feierte das vermeintliche Einlenken der Ministerien als Erfolg. Der Vorsitzende des Unions-Wirtschaftsflügels, Christian von Stetten, will in den Parlamentsberatungen dafür sorgen, dass die Regelung zu Gunsten des Mittelstands entschärft wird.

Das fordert auch die Stiftung Familienunternehmen. Der Vorstand der Stiftung, Rainer Kirchdörfer, erklärte, es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, wenn nicht-börsennotierte Betriebe mit 500 bis 2000 Mitarbeitern von der Frauenquote erfasst würden. Ein Gutachten der Stiftung kommt zum Schluss, dass dies einen Eingriff in die Eigentumsrechte darstellt.