Nach neun Stunden wird Gerd Mäuser bei der Hauptversammlung des VfB zum Präsidenten gewählt. Und Dieter Hundt bekommt einen Denkzettel.

Stuttgart - Der Druck fällt nur sehr langsam ab. Neun Stunden lang hat Gerd Mäuser da oben auf dem Podium gesessen, er ist öfter mal zusammengezuckt und hat sich hin und wieder gefragt, ob es eine gute Idee war, Präsident des VfB Stuttgart werden zu wollen. Gezittert und gebangt hat er seit zwölf Uhr mittags und zwischenzeitlich gedacht, das wird nichts. Dann, um kurz vor neun am Abend, ist seine Wahl an der Reihe - und als das Ergebnis auf der Videowand erscheint, ist der rote Balken größer als der grüne. Das bedeutet: Mäuser hat es geschafft, er ist gewählt, mit 58,7 Prozent der Stimmen. "Ich wäre überheblich, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht sehr erleichtert bin", sagt Mäuser, als das Lächeln in sein Gesicht zurückkehrt.

 

Es war eine durch und durch denkwürdige Hauptversammlung, die der VfB gestern in der Schleyerhalle abgehalten hat. Nie zuvor dauerte sie so lange; nie zuvor sind derart viele Mitglieder gekommen (fast dreitausend), und wohl nie zuvor gab es einen derart hitzigen und kontroversen Schlagabtausch, der mit härtesten Bandagen geführt wurde. "Wir sind jetzt auf einem Niveau angelangt, über das wir zuvor bei anderen Vereinen gelacht haben", sagte der VfB-Aufsichtsratschef Dieter Hundt.

Bitterster Tag für Hundt

Hundt war es, der im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand und seinen bittersten Tag erlebte, seit er 2002 den Posten des Aufsichtsratschefs übernommen hat. Heftigst wurde er von vielen Mitgliedern kritisiert und teils gnadenlos ausgepfiffen. Daran änderte auch seine Ankündigung nichts, "dass sich eine Saison wie die vergangene unter keinen Umständen wiederholen darf". Energisch beteuerte Hundt zwar, sich nie ins operative Geschäft eingemischt zu haben, und fand "derartige Vorwürfe unverständlich und inakzeptabel". Doch Pfiffe gab es erneut, auch als Hundt darauf verwies, dass Mäuser "zweifelsfrei die beste Lösung" sei und den anderen Bewerbern "haushoch überlegen".

Er meinte den früheren Torhüter Helmut Roleder und den Bankmanager Björn Seemann, die in den vergangenen Monaten Ambitionen geäußert hatten, VfB-Präsident werden zu wollen. Beide schritten gestern ans Mikrofon und sparten nicht mit Kritik. Die Vereinsführung sei "schuld an der Negativstimmung und dem Chaos", sagte Roleder, im Wahlkampf des VfB sei "viel Populismus" gewesen. Und Seemann berichtete von seinem erfolglosen Bewerbungsgespräch im Aufsichtsrat: "Da wurde mir klar, dass die niemanden in ihren Verein reinlassen wollen." Andere Mitglieder wurden noch viel deutlicher: "Sie verhalten sich wie ein Diktator in China", rief zum Beispiel Marcus Christen Hundt zu.

Eine schallende Ohrfeige

Der absolute Tiefpunkt dürfte für Hundt gewesen sein, dass die Mitglieder mit großer Mehrheit und unter tosendem Jubel den kurzfristig eingereichten Antrag auf die Tagesordnung setzen ließen, den Aufsichtsratschef abzuberufen. Dafür wäre laut Satzung eine Dreiviertelmehrheit nötig gewesen, die Hundts Gegner verfehlten. Doch bedeuteten auch 50,7 Prozent der Stimmen, die sich gegen Dieter Hundt aussprachen, eine schallende Ohrfeige für den Arbeitgeberpräsidenten.

"Mit dem Ergebnis der Präsidentenwahl bin ich zufrieden. Damit sind die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt", sagte Dieter Hundt nach der Versammlung, "über manches andere müssen wir reden." Es dürfte viel Gesprächsbedarf geben und eine Weile dauern, bis sich die Wogen wieder geglättet haben.

Hansi Müller ist besorgt

"Ich mache mir Sorgen, denn dieser Tag hat mich betroffen gemacht", sagt am Ende der Exprofi Hansi Müller, der von den Mitgliedern als Nachfolger des neuen Präsidenten Gerd Mäuser mit 58,7 Prozent der Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt wurde. Die Vorwürfe einiger Mitglieder seien "respektlos und starker Tobak" gewesen, viele hätten "die Verantwortung gegenüber dem Verein vernachlässigt".

Gerd Mäuser schlägt am Ende eher versöhnliche Töne an. "Das ist doch wie in einer Familie", sagt er, "da gibt es auch mal Krach - und danach versteht man sich wieder." Heute hat er seinen ersten Arbeitstag als VfB-Präsident und will damit beginnen, die Gräben wieder zuzuschütten. Gestern Abend blieb ihm nach der Wahl dann nur noch ein letzter Wunsch: "Ich muss jetzt erstmal ein Bier trinken."