Die zweite Etage des Hotels Silber in Stuttgart soll in die geplante Gedenkstätte einbezogen werden. Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat sich mit dem Land über die Finanzierung geeinigt. Die mitarbeitenden Bürgerinitiativen erhalten ein Stimmrecht im Verwaltungsrat.

Stuttgart - Das weitere Vorgehen bei der Raumplanung und Ausgestaltung des neuen Dokumentationszentrums im Hotel Silber, dem ehemaligen Gestapo-Gebäude in der Stuttgarter Dorotheenstraße 10, sind am Montag die Themen des Runden Tisches. Dort wird Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) nach StZ-Informationen die Mitglieder der Bürgerinitiative, in der sich rund zwei Dutzend Vereine zusammengeschlossen haben, mit mehreren guten und einer schlechten Nachricht konfrontieren.

 

Kuhn sagte auf Anfrage, er habe sich mit dem Landesfinanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) auf eine Beteiligung und ein Mitspracherecht der Bürger beim Hotel Silber geeinigt. Außerdem werde von 2017 an auch das zweite Stockwerk angemietet, um die Ausstellungsfläche zu vergrößern. Zudem erhalte die Bürgerinitiative den von ihr geforderten eigenen Raum. Kuhn bezeichnet allerdings die Einbeziehung des Kellers, in dem sich früher die Verwahrzellen befanden, als „Illusion“. Von den Bürgern war der Keller als wichtigster authentischer Ort bezeichnet worden. Wenigstens dessen prinzipielle Offenheit müsse gesichert werden, so ihre Forderung.

Ohne die Bürger gäbe es die Gedenkort-Pläne gar nicht

„Die Bürgerbeteiligung wird bei Konzeption und Betrieb fest verankert“, sagt Kuhn zu. Das sei wichtig, denn ohne die Vereine wäre das Gebäude längst abgerissen, und es gäbe den Gedenkort-Plan gar nicht. Obwohl die grün-rote Landesregierung versprochen hat, die Bürger stärker in wichtige Vorhaben einzubinden, war beim Hotel Silber – wohl nicht zuletzt auch wegen der skeptischen Grundhaltung von Thomas Schnabel, dem Leiter des Hauses der Geschichte, das das Gebäude als Zweigstelle führen soll – wenig Begeisterung für eine „Gedenkstätte von unten“ zu spüren. Wollten Land und Stadt als Geldgeber im entscheidenden Verwaltungsrat bisher über je zwei Sitze verfügen und der Bürgerinitiative nur einen zugestehen, so erhält das Land nun vier Sitze und Stadt sowie Bürgerinitiative je zwei.

Obwohl das Haus der Geschichte die Federführung innehabe, könne das Land keine Entscheidung ohne Zustimmung wenigstens eines Partners treffen. Für die Vereine bedeutet das mehr Einfluss. Sie erhalten auch ein eigenes Büro, das bisher aus Platzgründen nicht vorgesehen war. Das sei wichtig, um eigenverantwortlich Seminare und Veranstaltungen anbieten zu können, hatten sie betont. „Wir brauchen einen eigenen Schlüssel“, hatte es im vergangenen Jahr Elke Banabak, die zweite Vorsitzende, auf den Punkt gebracht.

Die zweite Etage soll miteinbezogen werden

OB Kuhn hat sich mit Nils Schmid abschließend über die Einbeziehung des zweiten Stockwerks geeinigt. Das ist schon deshalb ein Gewinn, weil dort bis 1945 die Leiter der württembergischen Gestapo ihre Büros hatten und damit dieser authentische Ort erlebbar wird. Die Fläche steht nach Ansicht des Stadtoberhaupts von 2017 an zur Verfügung. Er ist zuversichtlich, dass sich das Land mit der Firma Breuninger darüber verständigt, die Verlängerungsoption nicht zu ziehen. Damit komme man inklusive des Erdgeschosses und der linken Hälfte des ersten Stockwerks wieder auf die geplanten rund 1000 Quadratmeter, die allerdings auch schon einen Kompromiss darstellen. Die Stadt wird sich an den Betriebskosten für den zweiten Stock mit 30 000 Euro pro Jahr beteiligen und übernimmt eine Viertelmillion Euro vom jährlichen Etat, der einschließlich Miete 650 000 Euro beträgt. Die Kosten für den Umbau von drei bis fünf Millionen Euro trägt das Land allein.

In Baden-Württemberg gibt es rund 60 Gedenkstätten

Der Keller muss wohl ausgeklammert bleibn

Ein Wermutstropfen wird am Montag am Runden Tisch dennoch ausgeschenkt: Der Keller lässt sich nach Ansicht der Finanziers offenbar nicht in die Gedenkstätte integrieren. Nicht nur, dass dort die technischen Anlagen wie Lüftung und Heizung untergebracht werden müssten, problematisch seien auch die Themen Brandschutz, Statik und Barrierefreiheit. „Wir können dort definitiv keine Besucher herumführen“, hat Kuhn vor Ort festgestellt. Dort lagen allerdings die Verwahrzellen, in welche die Gestapo ihre Gefangenen zwischen den Verhören einsperrte, weshalb die Bürgerinitiative das Untergeschoss in irgendeiner Weise in die Gedenkstätte integriert sehen will; notfalls solle es über eine Wendeltreppe erschlossen werden.

In Baden-Württemberg gibt es heute etwa 60 Stätten, die an die Gräuel des nationalsozialistischen Regimes zwischen 1933 und 1945 erinnern. Aber nur zwei, der Obere Kuhberg in Ulm und die Gedenkstätte Grafeneck, haben hauptamtliche Mitarbeiter. Das im Verhältnis gut ausgestattete Hotel Silber könnte also auch einen Schub für die anderen Orte bringen.

Daneben hat das Hotel Silber als ehemalige Gestapozentrale diverse Besonderheiten. Es ist einer der wenigen authentischen Täterorte im Land. Dort wird man den Tätern begegnen, die die Juden deportiert, die Kommunisten verfolgt und die Zwangsarbeiter hingerichtet haben. Zudem öffnet das Hotel Silber den Blick in in die Zeit vor 1933 und nach 1945: Fast nirgendwo sonst kann man so gut zeigen, wie bereits vor der Machtergreifung der Nazis bestehende Institutionen in die Diktatur hineinwuchsen – und wie manche Opfergruppen, etwa Homosexuelle oder Roma, nach 1945 weiter verfolgt wurden.