Drei Länder, drei Konzerte: Cro hat am Samstag am Bodensee sein neues Album „Melodie“ vorgestellt – spektakuläre Fallschirmsprünge inbegriffen. Damit hat der Stuttgarter Rapper einmal mehr die Maßstäbe im deutschen Pop zu seinen Gunsten verschoben.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Konstanz - Der Rapper mit der Panda-Maske schickte sich am Samstag dazu an, die Gewichte im deutschen Pop ein weiteres Mal in seine Richtung zu verschieben: In gleich drei Ländern an einem Tag wollte er sein neues Album „Melodie“ präsentieren. Am späten Vormittag in der Schweiz, am Nachmittag in Österreich und am Abend dann in Konstanz, jeweils mit herrlichem Seeblick. Das ganze freundlich unterstützt vom Hersteller eines Energy-Getränks, der Fußballvereine und einen Formel-1-Rennstall unterhält, wenn er nicht gerade einen Drei-Länder-Konzert-Wahnsinn unterstützt.

 

Was vom Brausehersteller technisch und logistisch auf die Beine gestellt wird, ist beeindruckend. Damit das Internet über Konstanz angesichts von 5000 Fans mit Smartphones und Mitteilungsdrang nicht zusammenbricht, wird extra ein eigener Sendemast aufgestellt. Cro ist noch immer ein Social-Media-Phänomen, da ist es nur konsequent, dass es freies WLAN für alle gibt. Damit die Selfies schneller geinstagramt werden können, damit die Hashtags in Windeseile getwittert werden, damit der Status auf Facebook immer superaktuell ist. Das freut die Fans auf der einen Seite, das freut aber vor allem auch den Getränke-Hersteller auf der anderen Seite, schließlich ist er auf jedem Foto, in jedem Post irgendwie präsent. Eine Win-Win-Situation, die Flügel verleiht, könnte man sagen.

Im Backstage des zur Konzertlocation umfunktionierten Freibad Horn in Konstanz scheint derweil halb Stuttgart zugegen. „Ich komm mir vor wie am Hans-im-Glück-Brunnen“, heißt es hier bei der Begrüßung, „die Stuttgarter Innenstadt muss heute Abend leer sein“, wird dort geflachst, ehe es ernst wird: Es ist immer ein gutes Indiz für einen baldigen Konzertbeginn, wenn ein beteiligter Künstler aus dem Backstagebereich gen Bühne eilt. „Wir müssen jetzt mal“, sagt Markus Brückner alias Psaiko Dino, Tour-DJ von Cro. Kurz zuvor war bereits Cros Bodyguard hinter der Bühne aufgetaucht, die Cro-Maske wie einen Skalp tragend. Der Panda-Rapper selbst ist zu diesem Zeitpunkt im Helikopter gen Konstanz unterwegs. Mit dem Fallschirm soll er über der Bühne abspringen, wird geflüstert. Bilder von der Landung sind aber nicht erwünscht, schließlich ist im Vorhinein nicht klar, wie Hip-Hopper mögliche Abstürze vertragen.

Der Tag am See ist eines Popstars würdig

Mit Abstürzen hat Carlo Waibel in der Tat keinerlei Erfahrung. In einer an spektakulären Ereignissen nicht armen Karriere gehört die vergangene Woche selbst für Cro-Verhältnisse zu den außergewöhnlichen: zahlreiche Spitzen-Platzierungen in den Charts in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Die neue Single „Traum“ läuft am Donnerstag auf Viva und MTV zwei Stunden am Stück – auch das gab es in der Geschichte des Musikfernsehens selbstverständlich noch nicht. Am selben Abend spielt Cro dann noch ein Überraschungskonzert bei Rock am Ring – direkt im Anschluss an Iron Maiden. Was man halt so macht als Rockstar.

Eines Rock- oder besser Popstar würdig ist dann auch der Tag am See. Am Vormittag spielt Carlo Waibel vor 3000 Fans in der Schweiz, am Nachmittag sind über 6000 Fans in der wunderschönen Seebühne in Bregenz Zeuge der Präsentation des neuen Albums „Melodie“. Und am Abend dann das selbe Spiel noch mal vor 5000 Zuschauern in Konstanz. Während die Crew in Speedbooten von Österreich nach Konstanz gebracht wird, wird Cro mal eben mit dem Helikopter samt Tandemsprung eingeflogen. Zwei fliegende Helden stürzen voraus und hinterlassen einen roten Schweif am Himmel. Dahinter dann das Panda-Tandem, Cro von weitem gut erkennbar an den dünnsten Beinen der Popgeschichte.

Man mag von Cros Texten halten, was man will. Er selbst bezeichnete seinen Sound kürzlich als Gummibärchenmusik. Zweierlei Dinge muss man aber vor bescheidener Alpenkulisse attestieren: der immer noch blutjunge Künstler schreibt Hitsingles, die scheinbar mühelos den Geschmack der Masse treffen. Und ist darüberhinaus körperlich so fit, dass man ihm beim Konzert in Konstanz weder die zwei Shows zuvor noch den Sprung vom Himmel anmerkt.

Auch Cros Vorband Genetikk tritt maskiert auf

Der Start des Auftritts ist also einigermaßen spektakulär. Cro beginnt direkt nach der Landung im Rücken des Publikums zu rappen und teilt die Fans dann beim Einlauf in die Location wie einst Moses das Meer. Flankiert von seinem riesigen Bodyguard, seinem Mastermind Steffen Posner und weiteren Mitgliedern seiner Entourage entert er schließlich unter dem frenetischen Gekreische eines wieder mal sehr jungen Publikums die Bühne und schiebt atemlos die Hits „Hi Kids“ sowie das vielversprechende „Meine Crew“ vom neuen Album und „Einmal um die Welt“ hinterher.

Als Einheizer für Cro hatten zuvor Genetikk fungiert. Auch diese Rapper treten nur maskiert auf. Das Gesichtsoutfit des Tages heißt also Maske. Vorteil: man muss sich angesichts des heißesten Pfingstwochenendes seit Erfindung von Pfingsten keine Gedanken über den richtigen Sonnenschutzfaktor machen.

Viele Gedanken hatten sich die Veranstalter dagegen im Vorhinein machen müssen, um das Mammutprojekt Tag am See über die Bühne zu bringen. Wer einmal versucht hat, ein Konzert in einer Stadt wie Stuttgart genehmigen zu lassen, der weiß, wie viele Behörden konsultiert werden müssen. Welcher Aufwand wohl betrieben werden muss, wenn drei Konzerte in drei Ländern stattfinden? Davon kann Thomas Hornung ein Lied singen. Hornung ist Geschäftsführer der Agentur 0711 Livecom, die den Tag am See organisiert hat. 0711 Livecom ist Teil des 0711-Firmengeflechts in Stuttgart, das mittlerweile 45 Mitarbeiter zählt. „Wir mussten mit zig verschiedenen Behörden verhandeln, mit der Polizei, dem Wasserschutz und vielen mehr“, erzählt Hornung hinter der Bühne. Im Freibad Horn hatte nie zuvor ein Konzert in der Größe stattgefunden. „Daher mussten wir erst einmal zigtausend Meter Bodenschutz verlegen, damit unsere 40-Tonner mit den Zäunen, mit den Strom-Aggregaten und dem ganzen Equipment hier loslegen konnten.“

Seit Oktober wurde an dem Konzert-Marathon getüftelt

Vor einem Jahr hatte Steffen Poster, das Gehirn hinter Cro, die Idee zum Release-Marathon mit drei Ländern an einem Tag. „Steffen wollte etwas noch nie da Gewesenes, next level shit eben.“ Seit Oktober hatten Chimperator und das 0711-Firmengeflecht mit Unterstützung des Brause-Herstellers an der Umsetzung getüftelt. Ohne letzteren wäre es laut Hornung nicht möglich gewesen, die Karten mit 15 bis 20 Euro pro Ticket im Vergleich recht günstig zu halten. Dabei war der Energy-Drink-Konzern mit einer Mannschaftsstärke am Bodensee vertreten, die selbst erfahrene Festival-Macher erstaunt hat: „Mit der Truppenstärke hätte man wahrscheinlich ein kleines Land besetzen können.“

Das war an diesem Abend zum Glück gar nicht nötig, schließlich hatte ein junger Herr aus Schwäbisch Gmünd es fertig gebracht, 14.000 Menschen in gleich drei Ländern an einem Tag glücklich zu machen. Zum Dank für seine Mühen wurde Cro am Ende des Konzerts in Konstanz mal eben noch eine Goldene Schallplatte für die neue Single „Traum“ überreicht, nachdem er den alleine bei Youtube mittlerweile fast 40 Millionen Mal gestreamten Hit „Easy“ als Zugabe gespielt hatte. Der gut erzogene Rapper bedankte sich zum Abschluss mit dem Song „Rockstar“ und einer kleinen Pyro-Hommage an Rammstein.

Dieses Finale darf durchaus programmatisch verstanden werden: der größte deutsche Rockstar ist derzeit ein schmächtiger Rapper namens Cro, der mit seinem Tag am See am Samstag die Maßstäbe im deutschen Pop ein weiteres Mal zu seinen Gunsten verschoben hat.