Das Smartphone bestimmt den Alltag vieler Menschen und Schadstoffe in der Luft das Leben vieler Stuttgarter. Die Referenten Christian Montag von der Uni Ulm und Josef Cyrys aus München geben den Lesern Einblick in diese Themen.

Stuttgart - Menschen, die auf ihr Smartphone starrend gegen Laternenmasten laufen; schick gekleidete Gäste bei einer Hochzeitsgesellschaft, die sich nicht unterhalten, sondern auf ihr Handy starren; Personen, die auf den Zug warten und wie Hühner auf der Stange alle in derselben Haltung über das Mobiltelefon gebeugt verharren: Smartphone, Tablet und PC bestimmen den Alltag der Menschen. Mit Fotos und einem Kurzfilm machte Christian Montag von der Uni Ulm den Lesern bei der Leser-Uni im Euroforum der Universität Hohenheim sehr unterhaltsam deutlich, wie sehr Smartphone und Co. das heutige Dasein beeinflussen. Dabei ging es dem Psychologen, der am Lehrstuhl für Molekulare Psychologie an der Uni Ulm das menschliche Verhalten im Umgang mit dem Handy und dem Internet erforscht, nicht darum, das Internet zu verteufeln. Schließlich hat es auch viele Vorteile: Man kann bequem online einkaufen, seinen Urlaub buchen und sehr viel leichter und schneller an Informationen kommen. Doch irgendwann ist es zu viel, war das Thema seines Vortrags.

 

Dabei gehe es nicht darum, wie lange man am PC oder mit dem Smartphone verbringt. Vielmehr könne man die sogenannte 2 plus 1 Regel anwenden, die für Psychologen auch bei anderen Suchtgefahren gilt: Dazu gehören die ständige gedankliche Beschäftigung mit dem Medium und Entzugeserscheinungen. Wer schon einmal sein Handy vergessen hat, kann nachvollziehen, dass es sicherlich einige Nutzer geben wird, die in einem solchen Fall körperliche Panikattacken bekommen und alles in Bewegung setzen, um an das Handy zu kommen. Auch die Toleranzentwicklung gehört zu den Faktoren, die für eine Sucht sprechen. Darunter versteht man, dass man immer mehr Zeit mit dem Gerät verbringt, um den gleichen befriedigenden Effekt zu verspüren. „Immerhin ein Prozent der Deutschen sind davon betroffen, in Asien sind es bis zu sieben Prozent“, sagte Montag.

„Die meisten Menschen können gar nicht sagen, wie lange sie sich jeden Tag mit dem Smartphone beschäftigen“, weiß der Forscher. Daher hat er mit einem Kollegen aus der Informatik eine App namens „menthal“ (www.menthal.org) entwickelt. Fast 50 000 freiwillige Teilnehmer haben Einblick in ihre Handynutzungsdaten gewährt: Es zeigte sich, im die Personen im Schnitt drei Stunden am Tag aktiv unterwegs waren – passives Nutzungsverhalten, wie etwa Musik hören, zählte nicht dazu. „Der Hauptzeitfresser sind dabei die sozialen Medien, wie etwa WhatsApp und Facebook – 30 Prozent werden mit WhatsApp und zehn Prozent mit Facebook verbracht“, berichtete der Psychologe. Die sozialen Netzwerke würden dabei sehr viel mehr von Frauen genutzt, während das Internet und Computerspiele eher von Männern bevorzugt würden.

Man sollte, so rät der Experte, diese Dienste sowie Mails bewusst nutzen. „Schalten Sie Ihre Geräte zwischendurch ab. Checken Sie Ihre Mails nur alle paar Stunden, etwa um 9, 12 und 15 Uhr“, riet Montag. Wer ständig gestört werde, könne nicht produktiv arbeiten – weder im Büro noch im privaten Bereich. Im Prinzip kenne das doch jeder: Man möchte konzentriert am Rechner etwa in einer Word-Datei arbeiten. Und „pling“ kündigt sich eine Mail an, die man sofort öffnet – und schon ist man raus aus dem Thema, das man bearbeiten wollte. Der sogenannte Workflow, wie Psychologen den Arbeitsfluss nennen, wird gestört. „Das Gehirn kann gar nicht anders, es muss auf ein akustisches oder optisches Signal reagieren. Das sollte man verhindern, wenn man produktiv arbeiten möchte“, erklärte Montag.

Um gesundheitliche Risiken ging es auch im zweiten Vortrag: „Feinstaub: Wie groß ist die Gefahr für die Gesundheit?“ lautete die Frage, die der Umweltchemiker Josef Cyrys mit einer Reihe von teilweise bedrückenden Fakten und Studienergebnissen zu beantworten suchte. Dabei wurde schnell deutlich, dass sich die Situation in Europa nach dem legendären schlimmen Smogereignis 1952 in London in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend verbessert hatte. Gleichwohl konnte Cyrys, der am Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit sowie am Wissenschaftszentrum Umwelt der Uni Augsburg arbeitet, keine Entwarnung geben: Auch die heute gemessenen Werte können noch eine Risiko für die Gesundheit darstellen.

Vor allem die beiden großen US-Studien der Harvard Universität in sechs amerikanischen Städten in den 1980er Jahren sowie der Amerikanischen Krebsgesellschaft Anfang des Jahrtausends in 156 US-Städten belegten eindeutig, dass die Lebenserwartung bei besserer Luft höher ist. Umgekehrt führt mit Schadstoffen belastete Luft zu einem Anstieg von Lungenkrebs und Herz-Lungen-Krankheiten. Deutlich wurde auch, dass es sich lohnt, in die Luftreinhaltung zu investieren: Jährlichen Kosten von 25 bis 28 Milliarden Dollar – was heute in etwa Euro entspricht – steht der beeindruckende Nutzen von bis zu 430 Milliarden Dollar gegenüber.

Seit den 1980er Jahren hat nun ein, wie es Cyrys formuliert, „Tsunami an neuen Studien“ die medizinische Umweltforschung überrollt. Derzeit würden etwa 1800 Forschungsarbeiten pro Jahr auf diesem Gebiet publiziert. Die meisten würden sich auf kurzzeitige Effekte konzentrieren, wobei beispielsweise die gesundheitlichen Befindlichkeiten von Stadtbewohnern an belasteten und unbelasteten Tagen verglichen werden. Doch inzwischen gibt es auch einige europäische Langzeitstudien.

Die Ergebnisse fasste Josef Cyrys so zusammen: Überall auf der Welt zeigt sich, dass es den Menschen in Städten mit erhöhten Feinstaubwerte schlechter geht als in Regionen mit guter Luft. Ferner wird zunehmend deutlicher, dass die euroäischen Grenzwerte zu hoch sind, um die Menschen vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren. So liegt die Grenze für den Jahresmittelwerte für den Feinstaub mit Teilchen, die kleiner als 2,5 Mikrometer (also 2,5 Tausendstel Millimeter) in der EU bei 25 Mikrogramm je Kubikmeter Luft, in den USA bei zwölf. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt zehn. Nachteilige Gesundheitliche Effekte, lassen sich laut Cyrys ab etwa zehn Mikrogramm je Kubikmeter erkennen.

Das Fazit liegt auf der Hand: Offensichtlich sind die derzeitigen Grenzwerte die EU noch zu hoch. Und: in Stuttgart wird zwar der maximale Jahresmittelwert unterschritten, aber die Belastung liegt häufiger als an den von der EU erlaubten 35 Tagen über 50 Mikrogramm je Kubikmeter.

// Fragebogen zu persönlichen Suchttendenzen und Infos zum Feinstaub
unter www.smartphone-addiction.de www. umweltbundesamt.de/themen/luft