Exklusiv Land, Region, Kreise und Stadt verhandeln offenbar über ein Zukunftspaket für Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr. Doch wieder einmal gibt es Streit um die Kompetenzen.

Stuttgart - Land, Region, Kreise und die Stadt Stuttgart verhandeln nach Informationen der Stuttgarter Zeitung hinter verschlossenen Türen intensiv über die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in der Region Stuttgart. Angestrebt wird ein Konzept für das kommende Jahrzehnt, das den Namen ÖPNV-Pakt 2025 tragen soll. Darin sind zahlreiche verkehrliche Verbesserungen enthalten mit dem Ziel, die Kapazitätsprobleme auf Straßen und Schienen zu bekämpfen. Dazu zählen beispielsweise Metropol-Express-Bahnen, die größere Städte außerhalb der Region Stuttgart besser an die Landeshauptstadt anschließen, aber auch Schnellbusse für attraktive Direktverbindungen innerhalb der Region.

 

Die Beteiligten versuchen außerdem ihre seit Monaten tobende Auseinandersetzung um Zuständigkeiten im Bahn- und im Busverkehr beizulegen. Ob die Verhandlungen zum Erfolg führen, ist nach Auskunft verschiedener Beteiligter allerdings offen. Besonders im Kompetenzstreit sollen sich die Region auf der einen und die Kreise auf der anderen Seite nach wie vor unversöhnlich gegenüber stehen, berichten Teilnehmer. Die Verhandlungen sind so kompliziert, dass sie noch bis Januar fortgeführt werden.

Kompromisslösung stellt Verhandlungspartner nicht zufrieden

Zwar liegt eine Kompromisslösung auf dem Tisch, sie stößt aber sowohl bei den Kreisen und der Stadt Stuttgart als auch beim Verband Region Stuttgart auf Vorbehalte. Darin wird festgeschrieben, dass die Kreise und die Stadt Stuttgart wie von ihnen gewünscht als Aufgabenträger allein für die Bus- und Stadtbahnverkehre zuständig sind und dafür auch die Finanzverantwortung übernehmen. Der Traum manches Regionalpolitikers, die Verantwortung für den gesamten ÖPNV in der Region zu übernehmen, wäre dann ausgeträumt. Das spiegelte sich auch in der Etatdebatte des Regionalparlaments am Mittwoch wider. So bekundete die CDU-Regionalrätin Christine Art-Palmer, „unverbrüchlich“ hinter dieser Forderung zu stehen, während der FDP-Regionalrat Kai Buschmann frohlockte, dass die Region nicht für ein Grundangebot verantwortlich werde. Er kündigte aber an, dass die Kreise auf Mindeststandards im Busverkehr verpflichtet werden sollen.

Andererseits ist nicht ausgeschlossen, dass die Region zu den S-Bahnen und den neuen regionalen Direktbussen auch die Zuständigkeit für die Nebenbahnen von den Kreisen erhält, was auf deren Veto stößt. Außerdem könnte der Verband mehr Aufgaben im regionalen Verkehrsmanagement übernehmen – von der Verkehrslenkung über die Verknüpfung mit Car-Sharing und Pedelecstationen bis hin zur Konzeption und Finanzierung von P+R-Anlagen an S-Bahn-Stationen – ohne dafür eine zusätzliche Einnahmequelle zu erhalten. In einem Punkt wird die Region aber in die Pflicht genommen: Als Aufgabenträger der S-Bahn müsse sie dafür sorgen, dass dieses Verkehrssystem wieder ohne Verspätungen verlässlich funktioniere.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann sollte vermitteln

Ausgangspunkt dieser Debatte ist die sogenannte Allgemeine Vorschrift, ein kompliziertes Regelwerk, das – vereinfacht gesagt – die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Verteilung der Fahrgeldeinnahmen und die letztendliche Verantwortung für die Busverkehre in der Region regelt. Nachdem ein Einigungsversuch unter dem Dach des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) scheiterte, reklamierten die Kreise und die Stadt Stuttgart, allein dafür zuständig zu sein. Gleiches nimmt die Region für sich in Anspruch, die Anfang des Jahres einen eigenen Entwurf vorlegte, was prompt in dem von den Kreisen und der Landeshauptstadt dominierten VVS-Aufsichtsrat unter Führung des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne) kritisiert wurde. Beide Seiten pochten auf ihre Positionen – bis hin zu der Drohung notfalls vor Gericht zu ziehen.

In dieser verfahrenen Situation riefen beide Seiten den  Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) zu Hilfe, er solle die Verhandlungen moderieren. Im Vorfeld hatte der Minister, dessen Haus sich auf StZ-Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern will, erklärt, er wolle die Zuständigkeiten anhand der bestehenden Verkehrsprobleme ordnen und sich nicht nur auf Kompetenzfragen konzentrieren.

Die Landespolitik ist allerdings auch aus einem anderem Grund mit im Boot. Im Koalitionsvertrag vereinbarten Grüne und SPD, dass sie „im Benehmen und im Dialog mit den örtlichen Beteiligten die Aufgabenträgerschaft für den gesamten ÖPNV beim Verband Region Stuttgart und für andere Regionen prüfen“. Offenbar wollen die Regierungsfraktionen Grüne und SPD Bewegung in die Sache bringen. Wie das Ergebnis aussehen wird, hängt im wesentlichen vom Fortgang der Gespräche ab. „Die Koalition muss Gestaltungswillen an den Tag legen und den Koalitionsvertrag umsetzen“, fordert die CDU-Politikern Arlt-Palmer. „Im Wesentlichen wird alles beim Alten bleiben“, prophezeit Buschmann. Diese Aussagen sind nicht ohne Pikanterie: Die Vorgängerregierung aus CDU/FDP war in dieser Frage jahrelang untätig geblieben.

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