Wie sieht der zukunftsfähige Nahverkehr der SSB denn aus?
Bis jetzt reagieren wir nur auf Veränderungen. Solange wir am Straßenverkehr teilnehmen sind 80-Meter-Züge die Grenze. Wenn der Nahverkehr noch mehr leisten soll, dann muss man sich ganz andere Konzepte überlegen. Um mehr Kapazitäten bereitzustellen, müsste man mit regionalen Buslinien auch wieder in die Stuttgarter Innenstadt fahren. Da sollte man aber auch beim Bus den Systemgedanken konsequent umsetzen, damit der nicht mehr durch den Autoverkehr behindert wird. Das heißt mehr eigene Spuren, Buskaps und Vorrang an Ampeln für Linienbusse.

Welche Rolle spielt Stuttgart 21 bei der weiteren Entwicklung des Nahverkehrs?
Das Projekt hat im Vorfeld zu vielen Diskussionen geführt. Es wird am Ende aber auch eine regionale verkehrliche Wirkung entfalten. Denn dann gibt es ja eine 8-Minuten-Verbindung vom Haupt- zum Filderbahnhof. Der auf Stuttgart ausgerichtete Verkehr mit Regionalzügen wird in neuer Qualität zu mehr Nachfrage führen. Da kommt der Stadtbahn eine wichtige Verteilerrolle zu. Wir müssen unsere Modellrechnungen deshalb auch danach auslegen, was unsere Züge noch an zusätzlichem Verkehr aus der Metropolregion aufnehmen müssen. Die nach Stuttgart fahrenden Regionalzüge haben in den vergangenen zehn Jahren Zuwächse von über 30 Prozent verzeichnet. Am Hauptbahnhof haben sich die Umsteigerzahlen in die Stadtbahnen in diesem Zeitraum verdoppelt. Das weist klar darauf hin, dass die Stadtbahn nach dem Start von Stuttgart 21 noch mehr Umsteiger aufnehmen muss.

Wie steht es denn um die Überlegungen, aus der Stadtbahn auch eine Regionalbahn zu machen?
Das kann ich mir durchaus vorstellen. Die Züge sind komfortabel genug, um sie auch auf längeren Strecken einzusetzen. Wir müssen bei solchen Erweiterungen aber immer nachweisen, dass sie gesamtwirtschaftlich sind, also der in Geld bewertete Nutzen die Kosten überwiegt. Dieser Punkt wird gerade im Zusammenhang mit den Überlegungen, Stadtbahnen bis Ludwigsburg und Markgröningen fahren zu lassen, untersucht.

Um seine Aufgaben zu erfüllen, braucht der Nahverkehr Zuschüsse. Was passiert, wenn sich Bund und Länder noch stärker aus der Förderung zurückziehen?
Wir haben bis jetzt in Stuttgart von dieser Förderung profitiert. Große Sorgen macht mir aber jetzt, dass versucht wird, diese Finanzierungsinstrumente zurückzudrehen. Es gibt Horrorszenarien, in denen es von 2014 an ein lineares Abschmelzen der Förderung nach dem Entflechtungsgesetz gibt, die 2019 dann bei null ankommen würde. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen ist auf allen Ebenen unterwegs, um bei der Politik ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nur mit einem ausreichend geförderten Nahverkehr eine nachhaltige und umweltgerechte Mobilität aufrechterhalten werden kann. Es geht aber längst nicht mehr nur um den Ausbau des Nahverkehrs, sondern auch um Ersatzinvestitionen ins bestehende Netz.

Gibt es wenigstens noch Zuschüsse für den Kauf neuer Stadtbahnen?
In Baden-Württemberg gibt es für Stadtbahnfahrzeuge keine Förderung mehr. Das hat bei uns dazu geführt, dass 20 neue Stadtbahnen für 80 Millionen Euro, die von September an ausgeliefert werden, voll von der SSB finanziert werden müssen. Deshalb haben wir uns entschlossen, mit einer Generalüberholung 76 Stadtbahnen selbst zu modernisieren. Klar ist, dass dies unser Wirtschaftsergebnis belasten wird. Es gibt zwar eine positive Grundeinstellung zum Nahverkehr und hohe Erwartungen an diesen. Auf der anderen Seite fehlt es aber überall am Geld. Das bedeutet, dass Bus und Bahn immer stärker von den Kunden finanziert werden müssen. Das hat auch die Konsequenz, dass der VVS-Tarif jedes Jahr nach oben angepasst werden muss.

Gibt es Hoffnung auf bessere Zeiten?
Es gibt seit Anfang 2011 ein Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz des Landes. Dadurch ist gesichert, dass Bundeszuschüsse bis Ende 2019 zweckgebunden für den Verkehr eingesetzt werden. Die neue Landesregierung will 60 Prozent davon von 2013 an für den sogenannten Umweltverbund, also für Bus und Bahn, Fahrrad- und Fußgängerverkehr, verwenden. Der Topf, der für das Land rund 165 Millionen Euro enthält, ist aber nicht größer geworden. Bei den Regionalisierungsmitteln, für die eine Revision ansteht, gab es früher noch „freie“ Mittel. Damit konnten auch Infrastrukturprojekte im Nahverkehr finanziert werden. Inzwischen sind die Trassen- und Stationspreise im Schienenpersonennahverkehr so gestiegen, dass praktisch kaum noch Spielraum dafür bleibt. Von der Politik sollte alles getan werden, um verfügbare Bundeszuschüsse auch abzurufen. Dass bedeutet, dass der Landesanteil und der kommunale Komplementäranteil bereitgestellt werden müssen. Fehlen diese Anteile, dann verfallen die Bundeszuschüsse.

Bei der Stadtbahnlinie U 6 zum Fasanenhof haben die SSB den Landesanteil vorfinanziert. Wann fließen die 13 Millionen Euro zurück?
Aus den uns vorliegenden Dokumenten geht hervor, dass wir einen Anspruch haben. Wann das Geld fließt, ist offen.