Die neue SSB-Personalchefin Sabine Groner-Weber wirft Wolfgang Arnold und ihrem Vorgänger Reinhold Bauer vor, freigestellte Arbeitnehmervertreter zu hoch honoriert zu haben. Die Betroffenen weisen die Vorwürfe scharf zurück.

Stuttgart - Die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG steckt tief in einer Führungs- und Vertrauenskrise: Dem Technischen Vorstand Wolfgang Arnold und dem im Herbst 2015 ausgeschiedenen Personalvorstand Roland Bauer wird von Bauers Nachfolgerin Sabine Groner-Weber nach StZ-Informationen vorgeworfen, drei freigestellte Betriebsräte und den Schwerbehindertenvertreter des städtischen Unternehmens seit 2008 über das zulässige Maß hinaus entlohnt, also unerlaubt begünstigt haben. Auf Verstöße gegen Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes stehen Geldstrafe oder eine Haftstraße bis zu einem Jahr, falls ein Strafantrag gestellt wird.

 

Die Personen seien in zu hohen Entgeltgruppen eingestuft. Ferner stünden Überstundenregelungen, Pauschalen und Einzelleistungen mit dem Gesetz nicht im Einklang, verlautbaren die SSB auf StZ-Anfrage. Die Bezüge wurden kurzerhand gekürzt, und zwar rückwirkend für ein halbes Jahr. In Arbeitnehmerkreisen innerhalb und außerhalb der SSB wird dieser Vorgang als „Kriegserklärung“ Groner-Webers an die Mitarbeitervertretung gewertet. Die Betroffenen sagen, mit dem Eintritt der promovierten Biologin ins Unternehmen habe sich „der Stil geändert“. Mit Vorstand Bauer sei man auch häufig über Kreuz gelegen, er sei aber immer kompromissfähig gewesen.

Vorstandssprecher Arnold schweigt zu den Vorwürfen

Kritisch wird auch SSB-Chef Arnold gesehen. Personalvertreter fragen sich, warum er den Interessensausgleich nicht offensiv verteidigt und stattdessen zulasse, dass ihn seine Kollegin bloß stelle und den Betriebsfrieden nachhaltig störe. Bauer und Arnold haben 2008 eine Vereinbarung mit der Betriebsratsspitze unterschrieben und dem Personalausschuss vorgelegt. Die genaue Höhe des von Groner-Weber als unzulässig betrachteten Gehaltsbestandteils ist nicht bekannt. In der Aufsichtsratssitzung soll von monatlich bis zu 2000 Euro die Rede gewesen sein. Der Aufsichtsratsvorsitzende, OB Fritz Kuhn (Grüne), hat sich vom Kontrollgremium „das Mandat geben lassen, die Verantwortlichkeiten des ehemaligen wie aktiven Vorstandes sowie Fragen der Haftung prüfen zu lassen“. Kuhn war im August vom Vorstand informiert worden, „dass die Entlohnung einiger freigestellter Betriebsräte nicht korrekt“ sei. Der Fall scheint für ihn klar, er spricht von „überhöhten Vergütungen“ und will wissen, ob gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft zu informieren sei.

Betriebsräte dürfen laut Gesetz nicht wegen ihrer Tätigkeit begünstigt werden. Genau dies vermutet aber die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz. Ein Gutachten war von Groner-Weber, der im Herbst 2015 von den Leipziger Verkehrsbetrieben nach Stuttgart gewechselten ehemaligen Verdi-Funktionärin, in Auftrag gegeben worden. Zumindest Teile der Expertise hält sie noch immer unter Verschluss.

Die Betroffenen sprechen von einer Grauzone

Die Betroffenen weisen sämtliche Vorwürfe zurück, ebenso die von Verdi in den SSB-Aufsichtsrat entsandte Vertreterin Ursula Schorlepp. „Wir haben uns rein gar nichts vorzuwerfen“, sagt Betriebsratschef Klaus Felsmann. Man sei immer noch von der Richtigkeit der Vereinbarung überzeugt, schließlich hätten Vorstand und Arbeitnehmervertreter diese von zwei Kanzleien erarbeiten lassen. Die Gesetzesvorschrift sei eindeutig, es gebe aber hinsichtlich der Entlohnung von Betriebsräten eine Grauzone und unzählige voneinander abweichende Rechtsprechungen.

Dass Eingruppierung wie Sonderzahlungen legitmim seien, daran lassen die altgedienten Betriebsräte keinen Zweifel. Die Rechtsprechung sichert einem freigestellten Betriebsrat zu, in seiner Entlohnung den zu Beginn seines Ehrenamts vergleichbaren Kollegen und deren „betriebsüblicher Entwicklung“ gleichgestellt zu werden. Im Falle des Betriebsratschefs Felsmann schaut man also, wie weit es Busfahrer bei den SSB in der Regel bringen können. Diese Betrachtung gilt als „Einfallstor“ für Arbeitgeber, die finanzielle Stellung von Betriebsräten zu verbessern. Ohne diesen virtuellen Aufstieg wäre die hauptamtliche Betriebsratstätigkeit wenig attraktiv. Laut Verdi eröffneten sich in einem Unternehmen wie den SSB gerade für Mechaniker und Busfahrer aufgrund ihrer Erfahrung gute Perspektiven. Mitarbeiter aus dem Fahrdienst bringen es demnach bis zur Leitung einer Dienststelle oder eines Betriebshofes. Betriebsratschef Felsmann traute sich sogar zu, Personalvorstand zu werden.

Verdi kritisiert das Vorgehen des Vorstands

Die Verdi-Vertreterin Schorlepp sagt: „Hier wird versucht, saubere Wäsche schmutzig zu waschen.“ Sie verweist auf Veröffentlichungen, in denen der Kanzlei Gleiss Lutz unterstellt wird, sich beim „Union Busting“ besonders hervorzutun. Darunter verstehen Gewerkschafter das Zerschlagen von Strukturen der betrieblichen Interessensvertretung.

Es stellt sich aber noch die Frage nach der Berechtigung von Zahlungen für Mehrarbeit. Das Gesetz sieht keine Pauschalen vor. Bei der SSB hat sie Ex-Vorstand Bauer laut Felsmann gewährt, weil über drei Jahre hinweg der Nachweis regelmäßiger Mehrarbeit erbracht worden sei, die nicht binnen vier Wochen hätten abgefeiert werden können.

Der Vorstand hat „nach Abschluss der SSB-internen Prüfung und der Neufestlegung einer angemessenen Vergütung die Konsequenzen mit den betroffenen Mitgliedern des Betriebsrats erörtert und die erforderlichen Anpassungen vorgenommen“. Die Betroffenen haben das anders in Erinnerung: Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Thomas Asmus berichtet, Groner-Weber habe ihn im Urlaub telefonisch über die sofortige Kürzung informiert. „Man sieht uns nicht wanken“, betonen die Betroffenen. Die nächste Wahl findet 2018 statt, dann würden sie wohl wieder antreten. Auch wenn Fakten geschaffen seien, würden die Kürzungen nicht akzeptiert. Es gebe zwei Wege, sagt Ursula Schorlepp: Groner-Weber rücke von der Behauptung ab, es gebe nur eine rechtskonforme Lösung und man einige sich intern – „oder alle gehen vor Gericht und klagen ihr Recht ein.“