CDU und CSU streiten weiter – diesmal darüber, ob ihre jeweiligen Vorsitzenden auf dem Parteitag des anderen reden werden. Die CDU versucht die Münchner Andeutungen zu Ein- und Ausladungen so gut es geht zu ignorieren. Es geht nicht immer.

Berlin - Sie nennen sich Schwesterparteien. Da dürfen sich CDU und CSU ab und zu auch einen Zickenkrieg liefern. Einander an den Haaren ziehen. Ihre Spielchen spielen – so wie es Horst Seehofer derzeit mit der Oberschwester treibt, mit Angela Merkel. Berichtet „Bild“ am Freitag Morgen, Seehofer habe sich geweigert, die CDU-Chefin für Anfang November zum CSU-Parteitag einzuladen, so bezeichnet der Bayer das ein paar Stunden später als „unglaubliche Gespensterdiskussion“.

 

Doch Seehofer dementiert keineswegs; er redet nur recht gespensterhaft um die Sache rum und bestätigt damit die Schlagzeile. Dem „Focus“ etwa hat er inzwischen zu einem möglich Erscheinen Merkels beim CSU-Heimspiel gesagt: „Ich will keine Wiederholung des letzten Jahres. Und ich nehme an, sie will es auch nicht.“ Man erinnert sich: Beim letzten Parteitag hat Seehofer seinen „Ehrengast“ regelrecht vor den Kopf gestoßen: Merkel, schon auf der Bühne, musste sich vom CSU-Chef in Sachen Flüchtlinge erst die Leviten lesen lassen, bevor sie selber zu Wort kam. Das kann sie unmöglich wieder wollen, sagt Seehofer jetzt. Auf deutsch: Bleib lieber weg!

Was Seehofer nicht sagt ist wichtiger, als was er sagt

Daneben erhält die Deutsche Presseagentur am Freitag von einem CSU-Sprecher die Auskunft, es sei „völlig normal, dass zwei Monate vor dem Parteitag noch keine Einladungen verschickt worden sind.“ Für Ausladungen gilt das offenbar nicht: Das entsprechende Telefonat Seehofer-Merkel soll noch im August stattgefunden haben. Schreibt „Bild“.

Und der Chef selber, Horst Seehofer, sagt am Freitag im selben Atemzug zu der „unglaublichen Gespensterdiskussion“ Folgendes: „Wie vor jedem Parteitag werden wir die Behandlung der beiden Parteitage, CDU und CSU, miteinander besprechen, die Bundeskanzlerin und ich, und nicht über die Presse.“ Ein recht geschraubter Satz. Einfacher wär’s gewesen zu sagen: „Natürlich darf sie kommen.“ Aber das sagt Seehofer nicht – und damit meint er’s auch nicht. Noch Fragen?

In der CDU schon, die sich mehr geladen denn eingeladen fühlt. Die große Schwester versucht die Münchner Andeutungen zu Ein- und Ausladungen so gut es geht zu ignorieren. Im Adenauerhaus will niemand offiziell Stellung nehmen zu Seehofers Interview und seinen vermeintlichen Äußerungen aus internen Sitzungen, die den Weg in die Medien gefunden haben. Nur so viel – und in diesem Punkt sind sich die Interpretationen erstaunlich ähnlich: Eine Ausladung könne es gar nicht gegeben haben, weil es sowohl zum CDU- wie zum CSU-Parteitag noch gut zwei Monate sind und für keine der Veranstaltungen schon Einladungen verschickt worden seien. Und was in dieser Zeit noch alles passieren könne, sei doch noch gar nicht klar, heißt es.

Seehofers Äußerungen stoßen auf Unverständnis

Schließlich sollen genau in jener Zeit die gemeinsamen Arbeitsgruppen beider Parteien tagen, um ein solides inhaltliches Fundament für den Wahlkampf und die nächste Legislaturperiode aufzubauen. So ist es beim vermeintlichen Versöhnungstreffen Ende Juni in Potsdam vereinbart worden. Seehofers Äußerungen stoßen unter den Berliner Christdemokraten daher auf viel Unverständnis oder werden bestenfalls als weiterer Versuch gedeutet, nach dem Wahldebakel in Mecklenburg-Vorpommern den Druck auf die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage noch einmal zu erhöhen. Dass die beiden Parteichefs am Ende dem Parteitag der jeweils anderen Schwester fernbleiben könnten, glauben nicht einmal Christdemokraten, die bekanntermaßen nicht zu Merkels allergrößten Fans gehören. „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Vorsitzende der CDU auf dem CSU-Parteitag spricht und umgekehrt“, sagt der Waiblinger Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer: „Wir werden gemeinsam gewinnen oder getrennt verlieren.“

Am Sonntag kommt es zu einem Treffen

In der Theorie wissen das auch Merkel und Seehofer, weshalb sie sich am Sonntag im Bundeskanzleramt wieder einmal von Angesicht zu Angesicht sprechen wollen. Es geht, weil später noch SPD-Chef Sigmar Gabriel dazustößt und aus dem Treffen einen Koalitionsgipfel macht, um die bis zur Wahl noch zu beschließenden Gesetzesvorhaben – ganz sicher jedoch auch um das gestörte Schwesternverhältnis.

Die Stuttgarter CDU-Abgeordnete Karin Maag findet kaum noch Worte für die immer neuen Eskalationsstufen, die Seehofer zündet mit seinem Beharren darauf, im Recht zu sein: „Politische Führung bedeutet, Kompromisse auszuloten – die Angst vor der AfD begrenzt bei der CSU offenbar das rationale Denken.“