Im Streit um die korrekte Entlohnung freigestellter Betriebsräte ist keine Einigung in Sicht. Die Betroffenen und Verdi kritisieren die Arbeitsdirektorin, Sabine-Groner Weber hält an ihrer Rechtsauffassung fest.

Stuttgart - Auch in der nächsten Aufsichtsratssitzung der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG im März steht der Streit zwischen Vorstand und Betriebsrat im Fokus. Das Kontrollgremium wird sich zum dritten Mal in Folge mit dem Vorwurf der Begünstigung von freigestellten Betriebsräten beschäftigen. Das Verhältnis zwischen der SSB-Arbeitsdirektorin Sabine Groner-Weber (57), die im August Herabstufungen in niedrigere Gehaltsklassen, die Streichung von Aufwands- und Überstundenpauschalen und die Rückzahlung von Teilbeträgen für sechs Monate veranlasste, und den betroffenen Arbeitnehmern ist nach wie vor frostig. Man habe derzeit nur minimalen Kontakt zum Vorstand, klagten Betriebsräte unlängst. Sie sei in ständigem Austausch über die aktuellen Themen, betont Groner-Weber. Aus dem Weg können sich die Parteien nicht gehen, streitet man doch um Regelungen für Sonderverkehre, um veränderte Stadtbahnnetze, Dienstpläne und Pausenräume. Im Zweifel trifft man sich eben vor Gericht.

 

Verdi erhebt schwere Vorwürfe

Eine Pressekonferenz von Betriebsräten und Verdi im Nachgang zu einem gescheiterten Gütetermin trug zuletzt zur Verschärfung der Lage bei. Das Vorgehen der Arbeitsdirektorin wurde dort als „vorbereiteter Angriff auf den Betriebsrat“ bezeichnet. Und Verdi-Bezirkschef Cuno Hägele spekulierte, ob sich Groner-Weber den Betriebsratschef Klaus Felsmann als Feindbild ausgesucht habe, weil der sich 2015 wie sie um den Arbeitsdirektorenposten beworben hatte? Dazu schweigt die Angefeindete. Aufsichtsräte erinnern allerdings daran, dass es Arbeitnehmervertreter waren, die damals ihrem Vorsitzenden die nötigen Stimmen vorenthielten.

Während OB Fritz Kuhn nach der Präsentation eines Zwischenberichts zur Auffassung gelangte, die Vorgehensweise Groner-Webers werde darin gestützt, sagte die Verdi-Vertreterin im Aufsichtsrat, Ursula Schorlepp, diese Aussage teile sie nicht. Und der von Verdi beauftragte Gutachter Wolfgang Däubler erinnerte daran, dass die Vereinbarungen 2008 einvernehmlich und unter Mitarbeit zweier Anwaltskanzleien geschlossen worden seien. Sie seien deshalb rechtmäßig.

Vorstandsprecher Arnold trägt Kürzungen mit

In der nächsten Sitzung wird Groner-Weber darlegen, dass man sich auf eine Vereinbarung, unabhängig von der Zahl ihrer Ersteller aber nur berufen könne, sofern diese den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Das wird von ihr aber bestritten. Groner-Weber weiß dabei Vorstandssprecher Wolfgang Arnold hinter sich, obwohl er sich wegen der Mitzeichnung der Arbeitsverträge mit Regressforderungen konfrontiert sieht.

Auch Arnold war offenbar überrascht über die Höhe der Zuwendungen, die Groner-Webers Vorgänger Reinhold Bauer vor allem dem Betriebsratsvorsitzenden Klaus Felsmann 2008 genehmigt und danach ständig erhöht hat. Felsmann kam als gelernter Bus- und Stadtbahnfahrer auf 7850 Euro im Monat. Das ist etwa doppelt so viel, wie er als Fahrer verdienen würde. Bei der Verdi-Pressekonferenz sollte am Beispiel des Betriebsratsvorsitzenden nachgewiesen werden, wie falsch die SSB-Arbeitsdirektorin mit ihrer Strafaktion liege, Felsmann aus der zwölften von 15 Entgeltgruppen kräftig zurückzustufen.

Was wird aus einem Kombifahrer?

Der zum Zeitpunkt seiner Wahl als Kombifahrer eingestufte Betriebsratschef war vom früheren Arbeitsdirektor Reinhold Bauer im Laufe der Jahre auf jenes Level befördert worden, das in der Regel Mitarbeitern mit Uni-Abschluss vorbehalten ist. Diese Entscheidung hätte auf Basis der hypothetischen Betrachtung einer Laufbahn bei den SSB damit begründet werden müssen, dass Kombifahrer auf der Karriereleiter „üblicherweise“ so stark aufsteigen. Bei der Pressekonferenz hieß es auch, alle Leiter von Betriebshöfen seien gelernte Fahrer. Auf StZ-Anfrage relativierten die SSB die Aussage: In den vergangenen 19 Jahren hätten nur sechs von Hunderten gelernten Fahrern eine solche Leitungsfunktion übernommen. Von „üblich“ könnte dann keine Rede sein. Betriebshofleiter seien zudem nicht wie Felsmann in Gruppe 12 eingestuft, sondern in Stufe 10. Und auch das erst seit Dezember – seitdem man diese Tätigkeit als Dienststellenleiter absolviere.

Der Betroffene bewegte sich laut Verdi gehaltstechnisch aber sogar in der nächsthöheren Sphäre der Fachbereichsleiter – und zählte dort zu jenen Auserwählten, die eine 7,5-prozentige Zulage erhalten. Dieser Umstand löst die nächste Kontroverse in der Einschätzung der korrekten Vergütung der Betriebsräte aus.

Umstrittene Pauschalen gewährt

Weil mit dieser Extraleistung alle Überstunden abgegolten sind, dürfte sich Groner-Weber die Frage gestellt haben, wie man Felsmann darüber hinaus eine Überstundenpauschale von 2000 Euro für 62 Stunden pro Monat genehmigen konnte. Die Mehrarbeit von freigestellten Betriebsräten ist wegen des Ehrenamtsprinzips und dem unkontrollierbaren Aufwand schwer abzugrenzen. Der Gesetzgeber akzeptiert Mehrarbeit in wenigen Fällen, schreibt dafür aber den Versuch eines Ausgleichs durch Freizeit vor. Pauschalen sieht er gar nicht gern, Verdi-Gutachter Däubler hält sie für statthaft, sofern der Aufwand alle zwei Jahre nachgewiesen werde. Ob es diesen regelmäßigen Beleg gegeben hat, wird ebenfalls in der nächsten Aufsichtsratssitzung kontrovers diskutiert werden.

Außerdem stellt sich die Frage der Arbeitsbelastung. Zwar sieht das Gesetz keine Obergrenze für die Wochenarbeitszeit von Betriebsräten vor. In Anbetracht der vielen Überstunden der freigestellten SSB-Arbeitnehmervertreter stellt sich Arbeitsrechtsexperten allerdings die Frage, wie es um die Fürsorgepflicht der SSB-Spitze für ihre Mitarbeiter bestellt sei.