Unter dem Wartberg treibt die Bahn für ihr Projekt Stuttgart 21 in Richtung Hauptbahnhof und Feuerbach je zwei Tunnelröhren voran. Die Bahn bekommt die Lärmprobleme durch die Baustelle kaum in den Griff.

Stuttgart - Durch die oberirdischen Arbeiten und den Tunnelbau beim Bahnprojekt Stuttgart 21 sind viele Anwohner der Baustellen von Lärm betroffen. Die Bahn hat vor Beginn der Arbeiten jeweils Gutachten erstellen lassen, in denen die erwarteten Lärmwerte und der nötige Schallschutz berechnet wurden. Nicht immer aber lagen die Fachleute richtig. Auch am Wartberg nicht. Dort muss bald zwei Jahre nach dem Tunnelanschlag noch immer nachgebessert werden.

 

Das Wohngebiet am Wartberg zwischen Stresemann- und Heilbronner Straße liegt idyllisch und vergleichsweise ruhig. Seitdem die Bahn im November 2014 am Geländeeinschnitt ihres Pragtunnels einen Baustollen für die neuen Röhren zwischen Feuerbach und dem S-21-Durchgangsbahnof angeschlagen hat, gibt es aber kaum noch ruhige Stunden. Hier wird gesprengt und Erdreich abgefahren. Die beiden Tunnelröhren werden in zwei Richtungen gegraben, nach Feuerbach und zum neuen Hauptbahnhof. Die Arbeiter sind tief im Berg und benötigen in den vier Röhren entsprechend viel Frischluft. Die Lüfter laufen Tag und Nacht. Ihre Logistik musste die Bahn an dieser Baustelle bereits ändern, die nächtliche Abfuhr des Tunnelausbruchs wurde, weil zu laut, eingestellt. Das Gestein wird nachts im Tunnel zwischengelagert. Die vorgeschriebenen Lärmwerte könne die Bahn mit dem aufwendigen und teuren Bau eines riesigen Hallendachs, vergleichbar mit dem am Wagenburgtunnel in der City, einhalten. Glaubte sie jedenfalls im Oktober 2015. Die Planungen dafür waren weit gediehen, die Anwohner schöpften Hoffnung. Dann sagte die Bahn den Bau im Februar 2016 wieder ab. Denn auch die Überdachung wäre nicht die Lösung gewesen. Die riesigen Lüfterrohre hätten durch die Abdeckung geführt werden müssen – wieder zu laut.

Hier geht’s zur interaktiven Darstellung der Geschichte des Jahrhundertprojekts „Stuttgart 21“.

Logistik bereits geändert

Im März räumte die Bahn nach neuen Messungen und Berechnungen ein, dass die Belüftungsanlage tatsächlich noch immer zu laut sei. In höheren Drehzahlen dürfte die Belüftungsanlage nicht betrieben werden, da sonst die zulässigen Grenzwerte überschritten seien, erklärte Florian Bitzer, Leiter der technischen Fachdienste beim Bahnprojekt. Die Beschwerden der Anwohner seien berechtigt gewesen, die Immissionen „nicht vertretbar“. Man sinne auf Abhilfe.

Je weiter die Tunnel im Berg sind, desto mehr Druck muss durch die Lüfter erzeugt werden. Die Bahn schnürte ein umfangreiches Maßnahmenpaket: „Einbau eines zusätzlichen Rohrschalldämpfers, Schalldämpfung des Lüftergehäuses, noch ein Schalldämpfer, Neupositionierung der Lüfterstandorte zur Minderung der Reflexionen“, teilt die S-21-Projektgesellschaft mit.

Bei Besichtigung Mängel entdeckt

Die Anwohner, die sich in der Initiative Netzwerk Killesberg zusammengefunden haben, trauen den Aussagen der Bahn nicht mehr. Bei einer Baustellenbesichtigung seien Mängel offenkundig geworden. „Die Lüfter schlagen, sie sind auf massiven Stahlträgern befestigt“, sagt Netzwerke-Sprecher Ulrich Hangleiter beim Ortstermin. Das Trägergerüst wiederum ist an Stahlcontainer geschraubt. „Wenn Sie die anfassen, dann spüren Sie, dass die ganze Konstruktion schwingt“, sagt Hangleiter. Auf dämpfende Pufferstücke hat die Bahn verzichtet. Die Lüfter und die Luftschläuche an den Tunneldecken waren bisher durch Kunststoffrohre miteinander verbunden. Die Bahn wechselt nun zu Stahlrohren. Der prognostizierte Lärmwert nachts liege dann – nach einem neuen Gutachten – bei 44 Dezibel, also knapp unter jenen 45 Dezibel, ab denen Anspruch auf passiven Schallschutz (Fenster) bestehe. Der Abschluss der neuen Arbeiten war den Anwohnern per Flugblatt bis Mitte August versprochen worden.

Termin verschoben

Am gleichen Tag, als das Flugblatt verteilt wurde, korrigierte Bitzer in einer Mail an die Anwohner den Termin. Aufgrund „beengter Platzverhältnisse und hoher Komplexität“ werde man die Stahlteile bis zum 29. August montieren. Das geschieht auch nachts, mit entsprechendem Lärm, sagen die Anwohner. Die von ihnen angeregte elastische Lagerung der Lüfter werde man prüfen. „Sollte sich diese Maßnahme als sinnvoll und nützlich erweisen, werden sie an der Anlage gegebenenfalls nachgerüstet“, schrieb Bitzer. Der Lärm müsse ein Ende haben, sagen die Betroffenen. Die Bahn arbeite nun lange genug im illegalen Bereich.