Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ärgert sich über SMA-Chef Werner Stohler. Für die CDU ist die Debatte um die Kombilösung wohl beendet.  

Stuttgart - Werner Stohler, der Geschäftsführer der schweizerischen Gutachterfirma SMA, hat in der Stresstest-Sitzung als Kompromiss im Streit über Stuttgart21 eine Kombilösung aus Kopf- und Durchgangsbahnhof vorgeschlagen. Diese Idee wird er aber wohl vorerst nicht im Technikausschuss erläutern. Der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) hat am Dienstag mitgeteilt, die Firma SMA benötige erst einen offiziellen Auftrag der Projektpartner, um die von einer Expertenkommission gestellten 88 Fragen zum Kombibahnhof-Modell beantworten zu können.

 

Schuster zeigte sich erstaunt, dass Stohler erst eine Variante in die Debatte bringt, die angeblich dreimal besser sei als Stuttgart21, sich aber nur dann in der Lage sehe, "die Grundlagen seiner Behauptungen zu nennen, wenn er dafür entsprechende Ausarbeitungen anstellen könne und wir ihn dafür bezahlen".

Stohlers Brief liest sich allerdings weniger aufdringlich: Er zeigt sich "dankbar für die Ausarbeitung der Frageliste". Sie sei "ein wertvoller Einstieg" in einen Variantenvergleich, für den die Fragen beantwortet werden müssten. Er habe mehrfach in Gesprächen mit dem Bahnvorstand und Vertretern des Verkehrsministeriums klargestellt, dass sich die SMA bereit halte, an einem Vergleich mit den Stuttgart-21-Fachleuten zu arbeiten. Grundlegende Voraussetzung sei allerdings die gemeinsame Auftragserteilung der Projektpartner.

Stohlers Vorschlag nur "warme Luft aus der Schweiz"?

Der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold sagte am Dienstag Abend, der OB scheine "den Auftritt Stohlers im UTA zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser". Er stellte klar, dass Stohler im Ausschuss den Kombibahnhof-Vorschlag präsentieren solle und nicht die 88 Antworten auf Schusters Fragen. Es gehe darum zu erfahren, welches Potenzial die Idee habe und ob es wirklich "friedensstiftend sein könne".

Die Stuttgart-21-Befürworter haben bereits durch eine eigene Prüfung festgestellt, dass der Vorschlag aus verkehrlicher, finanzieller und planungsrechtlicher Hinsicht keine Vorteile bringe. Die Annahmen in dem Stohler-Papier, beispielsweise die Maximalkosten von drei Milliarden Euro und die dreimal höhere Leistungsfähigkeit gegenüber Stuttgart 21, seien nicht belegt. Schuster sagte, es sei ärgerlich, "dass Stohler mit Behauptungen, für die er noch keinen Nachweis hat, die Diskussion über Stuttgart 21 befeuert".

Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz unterstützte "eindringlich den Fragenkatalog des Oberbürgermeisters". Nun erklärte er mit dem Ausdruck des Bedauerns: "Anscheinend war die Idee nur heiße Luft aus der Schweiz." Für die Fraktion sei damit "die kurze Episode Kombibahnhof-Vorschlag beendet. Er fordert die Verwaltung auf, von einer Einladung Stohlers Abstand zu nehmen.

Stohler verärgert Schuster mit unbelegbaren Äußerungen

Ein Expertenteam unter Mitwirkung des S-21-Erfinders Gerhard Heimerl hatte im Auftrag der Projektpartner die Kombivariante analysiert und eine Absage erteilt. In diesem Prüfbericht befinden sich allerdings kritikwürdige Annahmen, wie etwa jene, der Südflügel könne bei der Kombilösung nicht erhalten werden, die Bahn müsse bei einer Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrags 800 Millionen Euro bezahlen, und es habe in der Vergangenheit eine umfangreiche Abwägung von Planvarianten gegeben. Von 60 geprüften Alternativen ist nun im Fragenkatalog die Rede - tatsächlich waren rund 40 davon S-21-Varianten.

Werner Stohler habe in seiner Kritik an diesem Heimerl-Prüfbericht von Falschaussagen gesprochen, so Schuster verärgert, weshalb der Gutachter nun seinerseits Rede und Antwort für seine unbewiesenen Behauptungen stehen müsse. Dass Stohler "offenbar keinerlei Unterlagen nachweisen kann, die seine von ihm als Fakten bezeichneten Behauptungen belegen", sei erstaunlich.

Die Grünen wiederum sind erstaunt, welch patzigen Ton Schuster anschlägt, um den renommierten Wissenschaftler Stohler in die Schranken zu weisen. Dem Firmenboss generös einen Fahrtkostenersatz im Falle eines Besuchs zuzugestehen, sei unverschämt. Immerhin habe der SMA-Chef bis zur Präsentation der Kombilösung für die Befürworter als der Fachmann schlechthin gegolten, weil er den Stresstest, wenn auch mit nennenswerten Einschränkungen, für bestanden erklärt habe.

Die Grünen verteidigen Stohler

Es werfe ein bezeichnendes Licht auf Schuster, den Aufgabenkatalog "mit teilweise diffamierenden Behauptungen sowie tendenziösen und deplatzierten Fragen" gewürzt zu haben, sagte der Fraktionschef Peter Pätzold. In Frage 70 zu behaupten, S21 liege eine gewerkescharfe Kalkulation von 4,1Milliarden Euro zugrunde, sei jedenfalls dreist.

Die Grünen im Land wiesen erst gestern wieder darauf hin, dass Nachbesserungen in dreistelliger Millionenhöhe anfielen. Man könne von Stohler nicht verlangen, in kürzester Zeit ohne Auftrag eine Planungstiefe herzustellen, die die Bahn nach 15-jähriger Arbeit nicht vorweisen könne. Fragen nach der Beleuchtung des Tiefbahnhofs seien nachrangig und zudem nicht von den Planern zu beantworten.

CDU-Chef Kotz meint, die Grünen könnten es sich nicht aussuchen, "je nachdem wie es ihnen in ihre Protestpolitik passt, ob Fakten und Daten auf den Tisch der Öffentlichkeit kommen oder nicht". Bei einem so wichtigen Projekt wie S21 werde nicht aus dem Bauch heraus agiert, sondern auf der Grundlage verlässlicher Fakten.