Nur die bestplatzierten 100 Ideen werden es in die Endauswahl schaffen: Von Montag an werden die Vorschläge der Bürger zum Bürgerhaushalt per Mausklick und schriftlich bewertet. Anschließend prüft die Verwaltung die Anträge auf ihre Haushaltsrelevanz.

Stuttgart - Die Frist für die Vorschläge zum sogenannten Bürgerhaushalt läuft ab. Rund 3000 Vorschläge von Bürgern, unterteilt in 19 Themenblöcke, sind bisher bei der Stadtverwaltung eingegangen. Von Montag an dürfen die Bürger die Ideen und Anregungen nun bewerten. Die 100 bestplatzierten Vorschläge werden dann von den zuständigen Mitarbeitern der Stadtkämmerei auf ihre Haushaltsrelevanz geprüft und bei den im Herbst beginnenden Haushaltsberatungen diskutiert.

 

Dass sich bei der zweiten Auflage des Bürgerhaushalts die Zahl der Vorschläge im Vergleich zum Jahr 2011 fast verdoppelt hat, darf als Beleg dafür gewertet werden, dass die Stuttgarter sich mit dem neuen Instrumentarium angefreundet haben. Allerdings haben offenbar noch nicht alle Ideengeber verstanden, dass die Anregungen einen Bezug zum Stadtetat haben müssen, um in die engere Auswahl zu kommen. Darauf hat die CDU-Fraktion im Gemeinderat in einem Antrag hingewiesen und gleich Beispiele genannt. So finden sich auf der Homepage „Bürgerhaushalt Stuttgart“ auch Anregungen wie etwa jene, Laubsauger zu verbieten oder bei Kontrollen im Rotlichtmilieu die Freier und nicht die Prostituierten zu belangen. Auch die Bitte um „Einführung einer eindeutigen Regelung bezüglich der Nachtruhe“ wird in den Etatberatungen wohl keine Rolle spielen.

Viel Interesse am Thema Öffentlicher Nahverkehr

Die meisten der eingegangenen Vorschläge betreffen die Gesamtstadt (etwa 40 Prozent). Es gibt jedoch auch Wünsche, die sich auf bestimmte Stadtbezirke beziehen, vor allem auf Münster, Degerloch, Stuttgart-West, Hedelfingen und wie schon 2011 Sillenbuch. Dort hatten die Bürger bereits beim ersten Bürgerhaushalt für die Sanierung ihres Sillenbucher Bädles gekämpft – mit Erfolg: Das Freibad wird runderneuert und soll im Juni 2013 wiedereröffnet werden.

Naturgemäß starkes Interesse ruft auch diesmal das Thema öffentlicher Nahverkehr hervor. So werden mehr Busspuren und verlängerte Fahrtzeiten der Stadtbahn angeregt, aber auch Vorschläge zur Überarbeitung des Tarifsystems der SSB gemacht. Besonders originell, wenn auch kaum haushaltsrelevant, ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag, die an den SSB-Haltestellen eingespielte Musik von den Fahrgästen selbst auswählen zu lassen. Begründung: die Beschallung diene offenbar dazu, bestimmten Personen den Aufenthalt an Haltestellen zu vermiesen. Um aber die Stimmung der Wartenden zu verbessern, müssten mehr Klassiktitel, Score und Jazz gespielt werden. Und einen persönlichen Musikwunsch äußert der Ideengeber auch gleich: Songs der Stuttgarter Hip-Hop-Band Freundeskreis. Bürgerbeteiligung – und nichts anderes ist ja der Bürgerhaushalt – hat eben auch viel von einem Wunschkonzert.

Viel Interesse weckt zudem das Thema Autoverkehr. Von der autofreien Stadt über Bremsschwellen vor Kindertagesstätten und Schulen bis hin zur Einführung einer Citymaut reichen die Ideen. Letztere entbehrt nicht einer gewissen kommunalpolitischen Brisanz, hatte doch die CDU im zurückliegenden OB-Wahlkampf dem damaligen Grünen-Kandidaten und heutigen Ob Fritz Kuhn unterstellt, genau diese Abgabe einführen zu wollen, was dieser freilich bis zuletzt bestritten hatte.

Interessensverbände trommeln für ihre Vorschläge

Allseits beliebt auf der Skala der Bürgerideen ist auch das Thema Hundeexkremente. Unter der Rubrik Abfall und Sauberkeit findet sich etwa der Vorschlag, eine DNA-Hundedatenbank einzurichten, um mittels Kotanalyse jenen Hundebesitzern auf die Spur zu kommen, die ihren Vierbeiner auf Felder und Wiesen die Notdurft verrichten lassen, ohne dieselbe vorschriftsgemäß per Tütchen zu entsorgen. Andere Vorschläge zielen darauf ab, Stuttgart „kostengünstig“ von ehrenamtlichen Kräften säubern zu lassen – eine Idee, die Alt-OB Wolfgang Schuster mit Freuden hören wird. Schließlich war er es einst, der Ein-Euro-Jobber als sogenannte Gelbe Engel durch die Stadt schickte, um die Bürger bei der Abfallentsorgung zu entlasten.

Bis zum 8. April können die Bürger nun die Vorschläge per Mausklick gewichten. Schon im Vorfeld der Aufstellung des Bürgerhaushalts rühren Interessenvertreter die Werbetrommel für ihre Anträge. So richtet etwa der Vorstand des Vereins „SportKultur Stuttgart“, der gern einen neuen Sportplatz und ein Sport- und Kulturzentrum hätte, in einem Rundschreiben die Bitte an seine Mitglieder, „unsere Vorschläge durch eine gute Bewertung zu unterstützen“. Wer kein Internet hat, kann sich entsprechende Formulare im Rathaus oder den Bezirksrathäusern holen. Diese müssen bis Freitag, 5. April, an die Stadtkämmerei zurückgesandt werden.