Einige der größten Filmerfolge beruhen auf Klassikern der Weltliteratur. Aber auch das Fernsehen bedient sich gern bei literarischen Vorlagen, vor allem bei Krimireihen. Warum?

Stuttgart - Der Hollywood-Regisseur Billy Wilder ist mal gefragt worden, was man für einen guten Film brauche. Drei Dinge, hat er geantwortet: „Ein gutes Buch, ein gutes Buch, ein gutes Buch.“ Er meinte damit zwar Drehbücher, aber er hätte sich genauso gut auf Romane beziehen können, schließlich beruhen einige der größten Filmerfolge auf Klassikern der Weltliteratur. Aber auch das Fernsehen bedient sich gern bei literarischen Vorlagen, vor allem bei Krimireihen.

 

Dass die Venedig-Krimis mit Uwe Kockisch als Commissario Brunetti auf Romanen von Donna Leon beruhen, wissen viele Zuschauer, aber auch die Titelhelden anderer Donnerstagskrimis der ARD, von „Kommissar Dupin“ über „Zorn“ bis demnächst „Allmen“, sind ebenfalls Romanfiguren. Auch ZDF-Reihen wie „Neben der Spur“, „Hattinger“ oder „Dengler“ haben literarische Vorlagen. Aus Sicht der Sender sprechen zwei Gründe für solche Adaptionen: Der Zuschauer, so der ZDF-Fernsehfilmchef Reinhold Elschot, „will Verlässlichkeit. Hat er die Erfahrung gemacht, dass er von einer Reihe spannende Unterhaltung erwarten kann, schaltet er wieder ein. Und natürlich bringen viele Bücher ihren guten Ruf und ihren Erfolg mit.“

Erfolgreiche Romanreihen, ergänzt Sascha Schwingel, hätten „zudem den Vorteil, dass bereits eine Fan-Gemeinde existiert. Die Geschichten funktionieren.“ Für Schwingel, Redaktionsleiter bei der für die Donnerstagskrimis zuständigen Degeto, muss ein Roman „das gleiche mitbringen wie ein originärer Stoff: interessante Figuren, spannende Geschichten, sehenswerte Schauplätze.“ Während ein Drehbuchexposé nicht mehr als ein Versprechen sei, „das zunächst nur ein unscharfes Bild zulässt, zeigt ein Roman das ganze Bild.“ Jüngstes Beispiel für eine zumindest künstlerisch erfolgreiche Degeto-Adaption ist „Kommissar Pascha“ mit Tim Seyfi als bayerischer Türke – die Filme, die am 16. und 23. März gezeigt werden, basieren auf den im Piper-Verlag erschienenen Romanen des Deutschtürken Su Turhan. Elschot verweist auf einen weiteren Aspekt: „An Romanen wird länger gearbeitet als an Drehbüchern. Deshalb sind Romanfiguren durchweg sehr durchdacht und haben eine Vergangenheit.

Romanhelden sind „ein Geschenk“

Ähnlich äußert sich Jutta Lieck-Klenke. Die Chefin der ZDF-Tochter Network Movie ist für „Neben der Spur“ verantwortlich. Die Vorlagen für die Krimis mit dem Hamburger Psychiater Joe Jessen (Goldmann-Verlag) stammen vom Australier Michael Robotham und spielen in England. Hätte man nicht einen deutschen Drehbuchautor beauftragen können, sich solche Storys auszudenken? So einfach sei das nicht, so die Produzentin: „Ein Drehbuch ist eine Handarbeit von äußerster Präzision, bei der die Ausdifferenzierung der Charaktere manchmal zu kurz kommt.“ Protagonisten wie Joe Jessen, Bella Block, Robert Anders („Der Kommissar und das Meer“), allesamt ursprünglich Romanfiguren, seien „ein Geschenk.“

Lieck-Klenke spielt darauf an, dass Romanadaptionen auch Risiken bergen – und mehr Arbeit machen. Nicht jedes Buch lässt sich ohne weiteres ins Fernsehen transferieren, denn ein Roman, räumt Schwingel ein, „gehorcht anderen dramaturgischen Gesetzen als ein Film.“ Außerdem muss man erst die Rechte erwerben. Als Produzent Mathias Lösel (Filmpool Fiction) 2012 in einer Buchhandlung Jean-Luc Bannalecs soeben erschienenen Roman „Bretonische Verhältnisse – Ein Fall für Kommissar Dupin“ (Kiepenheuer & Witsch) entdeckte, weckte die Lektüre Erinnerungen an seine Jugend als Austauschschüler in der Bretagne, erste Liebe inklusive. Er wollte umgehend die Filmrechte kaufen – und weil er besonders hartnäckig blieb, meldete sich schließlich der Autor persönlich. Daraus wurde eine zweistündige Unterhaltung über die Liebe zur Bretagne; kurz darauf bekam Lösel die Rechte.

Bankrotter Millionär und Hochstapler

Eine Buchreihe, sagt Schwingel, „muss überzeugen, damit man diese Herausforderungen in Kauf nimmt“. Er spricht von „Fluch und Segen“. Der Adaptionsprozess gehört in die Abteilung Fluch. Oft eigneten sich ausgerechnet jene Passagen, die Leser lieben, am allerwenigsten für die Verfilmung: „Je literarischer die Vorlage, desto schwieriger die Adaption.“ Als Beispiel führt er die „Allmen“-Romane von Martin Suter an (Diogenes). Die Bücher böten „eine Hauptfigur, wie es sie im deutschen Fernsehen noch nicht gegeben hat“: Allmen ist ein bankrotter Millionär und Hochstapler, der zufällig zum Detektiv wird. Die Adaption sei jedoch nicht leicht gewesen, „weil Suter keine Krimiplots im klassischen Sinn erzählt. Trotzdem war es uns wichtig, den Büchern treu zu bleiben.“ Das ist offenbar gelungen, denn Suter selbst, der sich durchaus kritisch zu Verfilmungen seiner Romane äußert, ließ wissen, er halte die Allmen-Serie – von Ende April an im Ersten – für „die bisher stilsicherste und eleganteste Suter-Verfilmung.“

Auch die Adaption der Dupin-Romane erfordert laut Lösel „einen Spagat zwischen Werktreue auf der einen, den Erwartungen des Senders auf der anderen Seite.“ Viele Elemente ließen sich nicht eins zu eins transferieren, und das gelte nicht nur für die Passagen, die sich im Kopf der Hauptfigur abspielen, sondern auch für Beschreibungen von Landschaften, Speisen, geschichtliche Hintergründe. „Wir müssen versuchen, die Atmosphäre in entsprechenden Bildern einzufangen.“

Wie die meisten Romanautoren hat Jean-Luc Bannalec, dessen Kommissar Dupin an diesem Donnerstag wieder ermittelt, offenbar Verständnis für die Anforderungen einer Verfilmung. Von seinem Mitspracherecht hat er jedenfalls noch keinen Gebrauch gemacht.