Armin Veh vetraut im Tor des VfB Stuttgart neuerdings auf Thorsten Kirschbaum – und nun hat der Trainer einen enttäuschten Sven Ulreich auf der Bank des Fußball-Bundesligisten sitzen. Der Grund: eine pikante Vorgeschichte.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Mit dem Gefühl ist das so eine Sache. Es kann gut sein und einen in seinem Vorhaben bestärken. Es kann aber auch schlecht sein und einen das Vertrauen verlieren lassen. Und wenn ein gutes und ein schlechtes Gefühl aufeinanderprallen, dann kann es so zugehen wie tief in Armin Vehs Bauch. Das eine Gefühl forderte: Mach’s! Nimm ihn raus! Das andere jedoch flüsterte: Nein! Lass ihn drin!

 

Armin Veh hat’s dann gemacht. Der Trainer des VfB Stuttgart hat Sven Ulreich aus dem Tor genommen – oder man könnte es auch andersherum ausdrücken: Er ist seinem Gespür in der sensiblen T-Frage gefolgt und hat unmittelbar vor dem Spiel gegen Hannover 96 Thorsten Kirschbaum zur neuen Nummer eins befördert.

Überzeugungstäter Veh

„Ich bin ein Überzeugungstäter“, sagt Veh, „und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann mache ich es eben auch.“ Wohl wissend, dass die Neubesetzung des Postens zwischen den Pfosten keine einfache Personalie ist. Jahrelang wurde an Ulreichs Status als Stammtorhüter nicht gerüttelt. Nun verändert sich aber nicht nur auf dem Platz etwas, sondern ebenso außerhalb. Der gebürtige Schorndorfer hat bisher zu den wenigen Sprechern der Mannschaft gezählt, hat den Stuttgartern zumindest auf regionaler Ebene ein Gesicht verliehen und gehört zu den Lieblingen der Fankurve, weil er durch und durch ein VfBler ist.

Weshalb sich auch das Binnenklima in der Mannschaft verändert könnte. Denn Veh hat zu all seinen sportlichen Baustellen jetzt auch noch einen enttäuschten Ulreich auf der Bank sitzen. Äußern wollte sich der 26-Jährige zu seiner Situation aber nicht. Zu tief sitzt der Frust über den Sinneswandel des Trainers, der nach dem Fehler des Torwarts zum 2:2-Endstand in Dortmund immer mehr zur Gewissheit wurde: Veh will einen Schlussmann, der mehr Sicherheit und Selbstvertrauen ausstrahlt.

Hätte Ulreich am Mittwochabend alles richtig gemacht, wäre er nicht nur auf seinem Posten geblieben, sondern der ersehnte Wendepunkt für die Stuttgarter hätte eine ganz andere Wucht entwickelt, als es nun das 1:0 gegen Hannover tut. Diese verspielte Gelegenheit ärgerte Veh maßlos.

Pikante Vorgeschichte

Pikant ist die Geschichte aber auch, weil Veh während seiner ersten Amtszeit beim VfB 2008 den jungen Ulreich zum Bundesligatorwart katapultierte, ihn nach wenigen Spielen aber wieder demontierte. Lang hat Ulreich daran zu knabbern gehabt, und selbst als er als gestandener Torhüter galt, vermochte er die letzten Zweifel an seiner Klasse nie ganz zu vertreiben. Einmal musste er 2011 noch unter Bruno Labbadia dem damaligen Ersatzmann Marc Ziegler Platz machen – doch nicht einmal für ein Spiel, da sich Ziegler umgehend verletzte und Ulreich seinen Platz zurückerhielt.

Es folgten Phasen mit grandiosen Paraden auf der Linie, aber ebenso Szenen in der Strafraumbeherrschung, die gruselig erschienen. Bei allem Auf und Ab hat Ulreich aber immer Haltung bewahrt. Auch nach der Hannover-Partie. Er ertrug die Glückwünsche der Mitspieler an Kirschbaum, klatschte den Rivalen selbst ab und schritt aufrecht in die Fankurve. Wenige Meter von ihm ging Kirschbaum, der Triumphgeheul nach dem zu null hinten allerdings vermied. „Das tut mir, aber vor allem der Mannschaft gut“, sagt der Torhüter, der 2013 von Cottbus nach Stuttgart kam und bisher den verletzten Ulreich dreimal im VfB-Tor vertreten hatte.

Jetzt kann sich der 1,95-Meter-Hüne darauf einstellen, dass er noch häufiger die Gelegenheit erhält, sich wie bei einem satten Schuss von Leon Andreasen auszuzeichnen. „Es ist ja nicht sinnvoll, alle zwei Spieltage den Torhüter zu wechseln“, sagt Veh, „außer – ich bin davon überzeugt.“ Doch im Moment will der Trainer sehen, ob er sich auf sein Gespür für Torhüter verlassen kann – und Kirschbaum auf Dauer hält, was er sich von ihm verspricht.