Torjäger Julian Schieber wurde bei seinem Comeback gegen Köln euphorisch empfangen. Kann der 22-Jährige die Sturmprobleme beim VfB lösen?

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Julian Schieber hat es genossen, dieses Gefühl, "wenn fast 60.000 Leute im Stadion deinen Namen schreien - darauf habe ich ja die ganzen Monate über hingearbeitet". Jetzt ist der Stürmer, der am 8.Mai 2010 gegen die TSG Hoffenheim sein letztes Spiel für den VfB Stuttgart absolviert hat und danach für ein Jahr an den 1. FC Nürnberg ausgeliehen war, wieder zurück in seinem schwäbischen Revier.

 

Beim 2:2 im Heimspiel am Samstag gegen Köln wurde Schieber, geboren in Backnang, nach seiner langen Verletzungspause in der 84. Minute für Cacau eingewechselt. Während der schwach spielende VfB-Kapitän von den Fans ausgepfiffen wurde, hat man dessen 1,86 Meter großen Ersatz mit "Schieber, Schieber"-Rufen und großem Hallo empfangen. In Stuttgart sind derzeit eben viele schon mit dem kleinen Spektakel, also der Rückkehr eines lange verletzten Eigengewächses, zu begeistern. Doch darüber hinaus sagt die Euphorie um das Comeback des Torjägers Schieber auch viel aus über die Sehnsucht der VfB-Anhänger, sich in Zukunft vielleicht eines stärkeren Offensivspiels erfreuen zu dürfen.

Schieber, der Strafraumspieler

Immerhin hat Julian Schieber, der für eine Saison verlorene Sohn, in der Fremde gezeigt, dass er das spielen kann, was dem VfB aktuell fehlt. So verkörperte der 22-Jährige in Nürnberg den Typen Strafraumspieler, der sein VfB-Kollege Cacau aufgrund seiner Spielanlage nie sein wird. Doch im modernen 4-2-3-1-System, das auch der Stuttgarter Trainer Bruno Labbadia favorisiert, braucht es dringend einen sogenannten Target Player, einen Zentrumsstürmer, der auch mit hohen Bällen etwas anfangen kann - und der mit dem Rücken zum Tor ebenfalls gefährlich ist.

"Wir sind vorne im Angriff gut bestückt, haben eine Menge Qualität. Wir brauchen keinen Neuen", sagt Schieber angesichts des möglichen Interesses seines Arbeitgebers an dem Japaner Mike Havenaar von Ventforet Kofu. Neben dem VfB soll bei dem 1,95-Meter-Mann auch der VfL Wolfsburg schon vorgefühlt haben. Wie es heißt, soll Havenaar bereits in dieser Woche ein Probetraining bei den Niedersachsen absolvieren. Ist der VfB also zu spät dran?

Gesundheitliche Tiefs

"Eine schwächere Phase, wie wir sie zurzeit vorne haben, gibt es immer mal", sagt Julian Schieber, dem für Nürnberg in 27 Bundesligaspielen sieben Tore und acht Vorlagen gelungen sind. Vor allem seine Treffer in den beiden Partien gegen den VfB, beim 2:1-Heimsieg sowie dem 4:1-Auswärtserfolg des Clubs über die Stuttgarter, sind dabei in Erinnerung geblieben. Zwischenzeitlich war Julian Schieber auch bei seinem Gastspiel in Franken verletzt - fiel den gesamten März aus. Am letzten Spieltag der Vorsaison, beim 3:1-Sieg der Nürnberger gegen Hannover 96, hat es ihn dann richtig erwischt: Nach 17 Minuten musste der ausgeliehene Stürmer mit einem Muskelbündelriss im Oberschenkel ausgewechselt werden.

Wieder topfit

Nach einem kurzen gesundheitlichen Zwischenhoch im August, als er noch ein Testspiel für den VfB bestritt, begann denn die elend lange Leidenszeit ("Das war alles andere als schön, den anderen immer nur zuschauen zu müssen") mit einer Nagelbettentzündung, aber vor allem mit chronischen Schambeinbeschwerden, die auch auf den Rücken, das Becken und die Adduktoren abstrahlten.

"Körperlich bin ich topfit und bereit, anzugreifen - am besten am Sonntag bei einem Sieg gegen die Bayern", sagt Schieber nun, der bei seiner Rückkehr im VfB-Dress allerdings auf die Familie verzichten musste, die ihm sonst regelmäßig im Stadion die Daumen drückt. "Meine Leut konnten diesmal nicht kommen", sagt Julian Schieber, ein Urschwabe, dessen Eltern in Unterweissach bei Backnang eine Baumschule samt Gärtnerei betreiben, "gerade ist viel zu tun - das Weihnachtsgeschäft geht vor. Aber zum Glück gibt es ja das Fernsehen".