Der OB rechtfertigt im Technikausschuss das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Gleichzeitig kündigt er eine Diskussion über neue Baugebiete und die Grenzen des Wachstums der Landeshauptstadt an.

Stuttgart - Im ersten Quartal 2016 soll im Gemeinderat eine Grundsatzdiskussion über die gewünschte Größe der Landeshauptstadt sowie über neue Wohnbaugebiete beginnen. Das hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik angekündigt. Er reagierte damit auf Forderungen der CDU, die eine Debatte über die Grenzen des Bevölkerungswachstums in Stuttgart verlangt. Die Sozialdemokraten im Gemeinderat wiederum halten das Konzept für den Bau von 1800 neuen Wohnungen pro Jahr für nicht ausreichend.

 

Zugleich verteidigte der Rathauschef erneut das sogenannte Zweckentfremdungsverbot, das vom Januar kommenden Jahres an für die Dauer von fünf Jahren gewährleisten soll, dass Vermieter ihre Wohnungen nicht ohne triftigen Grund leer stehen lassen. Angesichts des Mangels an günstigem Wohnraum in der Stadt komme er „am Abbau von Leerständen in der Stadt nicht vorbei“, sagte Kuhn. Appelle an die Vermieter hätten bislang nicht gefruchtet. Kuhn erinnerte an den Artikel 14 des Grundgesetzes, der nicht nur den Schutz des Eigentums gewährleiste, sondern auch eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit beinhalte. Die Stadt schätzt die Zahl der vom Zweckentfremdungsverbot erfassten Wohnungen auf 1000 bis 4000 Einheiten. Betroffen sind etwa solche Vermieter, die ihre Wohnungen für gewerbliche Zwecke vermieten, sie etwa via einschlägiger Internetportale als Herberge anbieten oder deren Wohnungen länger als sechs Monate leer stehen. Wer gegen die Satzung verstößt, kann mit einer Geldbuße von bis zu 50 000 Euro belegt werden.

FDP-Stadtrat: Wohnraum bezahlbar, aber nicht für jeden

Nicht nur der Verband der Haus- und Grundstückseigentümer mit dem ehemaligen CDU-Finanzbürgermeister Klaus Lang an der Spitze läuft Sturm gegen die Verordnung, auch im Gemeinderat ist der Widerstand groß. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz hält das Verbot angesichts der „raren Erfolgsaussichten ordnungspolitisch nicht für angemessen“ und plädierte erneut dafür, wenigstens auf die Androhung eines Bußgelds zu verzichten.

Jürgen Zeeb von den Freien Wählern (FW) prophezeite, die „Leerstandsschnüffelei“ werde keinen neuen Wohnraum schaffen, sondern potenzielle Vermieter abschrecken. Oberbürgermeister Kuhn solle sich stattdessen in Berlin für eine Lockerung der Mieterschutzgesetze stark machen. Eberhard Brett (AfD) nannte die Beschlussvorlage eine „Scherznummer“. Nach seiner Auffassung hilft gegen den Wohnraummangel nur, einen Quadratkilometer städtische Fläche neu zu bebauen, „zum Beispiel das Birkacher Feld“. FDP-Stadtrat Michael Conz verwahrte sich gegen die Formulierung, es gebe in Stuttgart nicht genügend bezahlbaren Wohnraum: „Er ist bezahlbar, aber halt nicht für jeden“, sagte Conz. Man müsse die Anforderungen beim Wohnungsbau herunterschrauben, dann werde Wohnraum wieder günstiger.

Unbewohnbare Wohnungen vom Verbot ausgenommen

SPD, Grüne, SÖS-Linke-Plus und Einzelstadtrat Ralph Schertlen, die im Gemeinderat rechnerisch über eine Mehrheit verfügen, begrüßten die Satzung. SPD-Fraktionschef Martin Körner bemängelte allerdings, dass sich die Verwaltung dafür zwei Jahre Zeit gelassen habe. Das Neubauprogramm des OB sei zu wenig ehrgeizig. Christoph Ozasek (Linke) erklärte, es sei gut, dass die Stadt nun einen Strategiewechsel vollziehe. Zwei neue Stellen beim Baurechtsamt reichten aber zur Überwachung des Zweckentfremdungsverbots nicht aus. Für die Grünen lobt Beate Schiener die Vorlage Kuhns.

Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) sah sich noch zum Hinweis veranlasst, Wohnungen, die aufgrund ihres Zustandes unbewohnbar seien, fielen nicht unter das Zweckentfremdungsverbot. Für FW-Fraktionschef Zeeb eine Aussage, die er dankend aufgriff: „Sollen die betroffenen Vermieter ihre Wohnungen dann unbewohnbar machen?“