Die Landesregierung hat dubiose Russland-Geschäfte bei EnBW und LBBW nicht angezeigt – das stößt nun auf Kritik von Transparency International: Es gebe zwar keine rechtliche, aber eine politische Pflicht dazu.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Umgang des Landes mit den Korruptionsverdachtsfällen beim Energiekonzern EnBW und der Landesbank LBBW stößt auf scharfe Kritik von Transparency International. Die Antikorruptionsorganisation rügt, dass die Vorgänge um dubiose Russlandgeschäfte nicht zur Anzeige gebracht wurden, sondern die Staatsanwaltschaft jeweils erst aufgrund von Medienberichten davon erfuhr. „Auch wenn es keine gesetzliche Pflicht zur Strafanzeige eines wirtschaftskriminellen Tatverdachts gibt, wäre es aus der Perspektive politischer Verantwortung äußerst fragwürdig, diese Anzeige allein aus Rücksicht auf die Reputation prominenter oder politisch verbundener Akteure zu unterlassen“, sagte der stellvertretende Vorstandschef von Transparency Deutschland, Peter von Blomberg.

 

Amtspflichtverletzung bei Konzernprüfern?

Er reagierte damit auf einen StZ-Bericht, nach dem die EnBW die Staatsanwaltschaft bei der Affäre um den russischen Lobbyisten Andrey Bykov unbedingt aus dem Spiel halten wollte. Inzwischen ermittelt die Mannheimer Schwerpunktabteilung für Wirtschaftskriminalität wegen des Verdachts auf Untreue und Steuerhinterziehung gegen frühere und heutige Verantwortliche des Konzerns. Nach einer internen Vorlage vom April 2011 war es das „Hauptziel“ der EnBW, im Zuge einer steuerlichen Betriebsprüfung die Abgabe an die Staatsanwaltschaft zu vermeiden; dies gelang auch. Die Prüfer hätten die Millionenzahlungen an die Bykov-Firmen zwar nicht als absetzbar anerkannt, seien aber „bereit, auf Benennung des Rechtsgrunds“ für ihre Weigerung zu verzichten. Dies hält von Blomberg ebenfalls für hochproblematisch. „Nicht weniger kritisch wäre die Bereitschaft der Steuerprüfer zu bewerten, auf die Nennung des Rechtsgrundes für die Nichtabsetzbarkeit der ,Betriebsausgaben‘ zu verzichten und damit den Eindruck einer Amtspflichtverletzung zu riskieren“, sagte er.

Die Rolle der Finanzverwaltung in der Russland-Affäre erscheint damit zusehends zwielichtig. Ein Sprecher von Finanzminister Nils Schmid (SPD) hatte zunächst gesagt, der Vorgang werde intern überprüft. Inzwischen gibt es unter Verweis auf das Steuergeheimnis keinerlei Auskünfte mehr dazu. Der beschriebene Deal zwischen der EnBW und der Finanzverwaltung, der Mehreinnahmen von bis zu 70 Millionen Euro winkten, wäre rechtlich äußerst fragwürdig, wenn nicht illegal.

Was wusste der Ex-Finanzminister Stratthaus?

Besonders pikant: in dem zur Aufarbeitung der Russland-Affäre gegründeten Sonderausschuss des EnBW-Aufsichtsrates saß zuletzt auch der frühere Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus (CDU). Er ist nach eigenen Angaben im März 2011 für den EdF-Vertreter Gerard Roth in das Gremium nachgerückt. Demnach müsste er die Vorlage für den Ausschuss vom April gekannt haben, in der es um die Steuerprüfung und das Fernhalten der Staatsanwaltschaft ging. „Da die Beratungen im Aufsichtsrat und im Ad-hoc-Ausschuss vertraulich sind, kann ich Ihnen weitere Auskünfte hierzu nicht geben“, teilte Stratthaus mit, der inzwischen Interimschef der staatlichen Rothaus-Brauerei ist.

Auch der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) saß zur fraglichen Zeit im Aufsichtsrat. Nach seiner Erinnerung wurden die Russlandgeschäfte „in den wenigen Monaten“ seiner Zugehörigkeit nicht behandelt, da es im Zusammenhang mit Fukushima andere Themen gegeben habe. „Ganz sicher“ sei in seiner Gegenwart nie ein Plan diskutiert worden, „irgendetwas von der Staatsanwaltschaft abzuhalten“. „Es wäre ja auch mäßig schlau gewesen, dies in Anwesenheit des Justizministers zu tun“, sagte Goll der StZ. Ein Aktivwerden der Staatsanwaltschaft fürchtete die EnBW nicht nur wegen des steuerlichen Aspektes, sondern auch wegen der Gestaltung der Verträge mit den Bykov-Firmen. Hier gebe es „Anlass zur Annahme eines Anfangsverdachts bezüglich Untreue“, hieß es in der internen Vorlage. Man sei aber nicht zur Anzeige verpflichtet.

Ungehörter Zeuge wird nun doch geladen

Auch die später nachgerückten Vertreter der grün-roten Regierung in den EnBW-Gremien sorgten nicht für eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft – ebenso wenig wie bei der LBBW, wo seit Monaten ein möglicher Korruptionsverdacht beim Bau des German Centers in Moskau geprüft wird. Innenminister Reinhold Gall (SPD), der erst kürzlich beklagt hatte, dass Korruptionsfälle in der Wirtschaft kaum zur Anzeige gebracht wurden, wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren. Er begründete dies mit den laufenden Verfahren und der Unabhängigkeit der Justiz.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart will derweil nun doch den früheren Geschäftsführer der LBBW Immobilien, Markus Pflitsch, als Zeugen zum German Center und zu anderen Vorgängen hören. Dies bestätigte eine Sprecherin der Behörde. Pflitsch hatte sich seit mehr als einem Jahr gegenüber Vertretern der Landesregierung als Zeuge angeboten, war aber von der Justiz nicht geladen worden. Dies erfolgte erst, nachdem die StZ und der SWR über den „ungehörten Zeugen“ berichtet hatten. Die Medienberichte hätten keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt, sagte die Sprecherin. Die Ermittler wollten „alle Informationsmöglichkeiten ausschöpfen“ und sich keine Versäumnisse vorwerfen lassen.