Stuttgarts neue Einkaufszentren Gerber und Milaneo können wirtschaftlich erfolgreich sein. Aber werden sie auch die Innenstadt lebendiger machen? Nur wenn die Centermanager aus der Komfortzone herauskommen, schreibt Sven Hahn.

Stuttgart - Eigentlich ist es eine richtig gute Nachricht, dass in der Landeshauptstadt das Angebot im Einzelhandel in kürzester Zeit enorm gesteigert wird. Gut für die Verbraucher, da die Händler mehr denn je um die Gunst der Kunden werben müssen. Gut für den Arbeitsmarkt, da Hunderte neuer Stellen geschaffen werden. Gut für die Stadt, die einen neuen Ausweis dafür erhält, dass sie im Wettbewerb der Metropolen attraktiv ist. Denn schon die Geschichte lehrt, dass sich Stadtentwicklung und Handel gegenseitig bedingen. Wer viele Geschäfte und Märkte hat, ist erfolgreich. Das hat sich nicht geändert.

 

Doch haben die neuen Akteure in der Stuttgarter Innenstadt, das Gerber und das Milaneo, eine Art Webfehler, der sie aus städtebaulicher Sicht zu einem potenziellen Problem macht. Ihr Konzept ist nicht für die Innenstadt gedacht, sondern für die Peripherie. Die einst aus den USA importierten Shopping-Malls sind sogar das krasse Gegenteil der jahrhundertelang gelebten Symbiose zwischen Handelszentren und Städten. Sie führen die Kunden aus der Stadt hinaus und sind daher eine Bedrohung für das lebhafte Handeln und Wandeln in den Stadtkernen.

Wird ein Konzept, das ursprünglich für die grüne Wiese gedacht war, in die Innenstadt importiert, passt es nicht ohne Probleme in die Umgebung dort. Während an der Peripherie das Umfeld aus einem Autobahnanschluss und einem Parkplatz besteht, gibt es in einer Stadt belebte Plätze und ein gewachsenes Zentrum. Dieser Unterschied ist entscheidend. Und auf diesen Widerspruch der Konzepte haben renommierte Stadtplaner und Architekten auch lange hingewiesen. Sie wurden kaum gehört.

Werden Gerber und Milaneo ihre Viertel beleben?

Dass es anders geht, zeigen Projekte in Städten wie Innsbruck, Kopenhagen oder Lyon, in denen speziell auf ein urbanes Umfeld abgestimmte Einkaufszentren betrieben werden. Dort führen die Wege nicht in eine von Gewerbe gesäumte Sackgasse, sondern von allen Seiten durch die Häuser hindurch. Dadurch wirken die Center nicht wie Monolithen, die sich selbst genügen, sondern werden zu Stationen einer gesamtstädtischen Handelsmeile. Ihre Gewinne zeigen, dass auch erfolgreich gebaut, gehandelt und gewirtschaftet werden kann, wenn einem Investor von vornherein aufgebürdet wird, an mehr als an das eigene Objekt und die eigene Rendite zu denken.

Sind die neuen Center – immerhin Investitionen in einer Größenordnung zwischen 250 und 550 Millionen Euro – also aufgrund ihres Webfehlers von vornherein zum Scheitern verurteilt? Sicher nicht! Vieles spricht dafür, dass die Einkaufszentren in Stuttgart genau wie die neuen Angebote in der Region und die für die nahe Zukunft geplanten weiteren Handelsstandorte in der Landeshauptstadt allesamt lukrativ betrieben werden können. Der enormen Kaufkraft im Südwesten sei Dank.

Doch darf die Betrachtung nicht allein das wirtschaftliche Überleben der Malls im Blick haben. Mindestens genauso schwer wiegt im Interesse der Stadt das Zusammenleben von Investorenprojekt und Innenstadt, von Shoppingcenter und inhabergeführtem Einzelhandel, von Kunstlichtarkaden und öffentlichem Raum. Nur wenn sich die Shopping-Malls in ihre Umgebung einfügen, werden sie wirklich in der Stadt ankommen, in der sie stehen.

Deswegen müssen die Center die Frage beantworten, ob sie lediglich die Handelslandschaft um einige beliebige Markennamen erweitern wollen, oder ob es ihnen gelingt, das Stadtleben auch abseits des Konsums zu bereichern. Das Gerber wird sich auch im Umgang mit der Drogenszene vor der Haustür, dem Treffpunkt Paulinenbrücke, beweisen müssen. Das Milaneo muss zeigen, dass es gelingen kann, das bisher nüchtern und farblos wirkende Europaviertel mit Leben zu füllen. Die Manager der Malls müssen aus ihrer Komfortzone hervortreten und mehr bieten als puren Kommerz.