Der Gutachter der Staatsanwaltschaft stellt fest, dass die Regierung Mappus beim EnBW-Deal 780 Millionen Euro zu viel bezahlt hat. Dies ist ein juristischer und politischer Paukenschlag, kommentiert der StZ-Redakteur Andreas Müller.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Eines ist vorweg festzuhalten: für Stefan Mappus gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung. Solange er nicht von einem Gericht verurteilt ist, hat der frühere CDU-Ministerpräsident wie jeder andere als unbescholten zu gelten. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mappus und weitere Verantwortliche wegen des EnBW-Deals vor einem Gericht verantworten müssen, ist stark gestiegen. Angesichts des im Auftrag der Staatsanwaltschaft entstandenen Gutachtens spricht vieles dafür, dass die Ermittlungen wegen Untreue in eine Anklage münden.

 

Das Ergebnis des Gutachtens ist nicht nur juristisch, sondern auch politisch ein Paukenschlag. Mappus hat für die EnBW-Aktien 780 Millionen Euro zu viel gezahlt – mit diesem klaren Befund hatte fast niemand gerechnet. Zum einen ist es schwierig, drei Jahre rückwirkend den Wert eines Unternehmens zu ermitteln; zum anderen war der Experte gehalten, die für Mappus günstigste Methode anzuwenden. Deswegen hoffte die CDU gemeinsam mit ihrem Ex-Ministerpräsidenten auf eine gewisse Entlastung. Zu dem bereits gerichtlich festgestellten Verfassungsbruch sollte wenigstens nicht noch der Vorwurf kommen, Mappus habe Hunderte von Millionen Euro an Steuergeldern verschleudert.

Der CDU fällt ihre Dauerkritik auf die Füße

Umgekehrt hatten die Regierungsparteien das Gutachten mit leichter Sorge erwartet. Doch sie können sich nun in kaum erhoffter Klarheit bestätigt sehen: Der laut dem Gutachter zu viel bezahlte Betrag entspricht nahezu exakt dem, was das Finanzministerium von anderen Experten hatte ermitteln lassen. Auf dieser Grundlage fordert das Land von der Électricité de France (EdF) 800 Millionen Euro zurück. Bei der Schiedsklage können sich Grüne und SPD nun ermutigt fühlen, unabhängig von den Aussichten, tatsächlich noch Geld zurückzubekommen. Die CDU ist hingegen gut beraten, ihre Dauerkritik an dem Vorgehen allmählich einzustellen; sie fällt ihr schon jetzt schwer auf die Füße.

Der Fortgang des Schiedsverfahrens ist ebenso abzuwarten wie der Ausgang der Ermittlungen. Doch das Gutachten wiegt umso schwerer, als es das einzige ist, dessen Auftraggeber keine eigenen Interessen verfolgt – außer dem der Aufklärung. Schon jetzt ergeben sich daraus kritische Fragen an die Akteure und Unterstützer des EnBW-Deals, aber auch an jene, die an der Aufarbeitung beteiligt sind.

Auch die Justiz muss sich kritischen Fragen stellen

Nicht nur für Mappus, auch für seinen unter Beihilfeverdacht stehenden Freund Dirk Notheis ist die Expertise ein Tiefschlag: Die einst von Notheis geführte Investmentbank Morgan Stanley hat den Unternehmenswert wohl doch nicht so professionell ermittelt, wie sie stets behauptete; der umstrittene Paketzuschlag für die Aktien war anscheinend wirklich nicht berechtigt. Das nährt den Verdacht, dass der politische Erfolg des Rückkaufs buchstäblich um jeden Preis erkauft werden sollte.

Die Landes-CDU samt ihrem neuen Vorsitzenden Thomas Strobl muss sich nun noch mehr fragen lassen, warum sie Mappus bei dem Milliardengeschäft nahezu blind gefolgt ist. Ihrer gerne ins Feld geführten Wirtschaftskompetenz stellt das Gutachten ein schlechtes Zeugnis aus. Dabei gab es in den Reihen von Partei und Fraktion durchaus Sachkundige, die die Problematik des Geschäfts früh erkannten – doch sie schwiegen lieber, um die Macht nicht zu riskieren. Aber auch die Justiz muss sich fragen lassen, warum es derart lange gedauert hat, bis endlich Ermittlungen zum EnBW-Deal aufgenommen wurden. So überzeugend die Staatsanwaltschaft inzwischen ihre Arbeit erledigt, so unbegreiflich ist es im Licht des Gutachtens, dass sie dies anderthalb Jahre lang verweigerte. Eines lässt sich mit Gewissheit sagen: die Aufarbeitung der kurzen Amtszeit von Stefan Mappus nähert sich mitnichten ihrem Ende, sondern ist noch in vollem Gange.