Beim EnBW-Deal haben Stefan Mappus und sein Freund und Berater Notheis nicht nur das Parlament, sondern auch den gesamten Regierungsapparat ausgeschaltet. Dies zeigt eine ganz eigene Art der Selbstherrschaft, meint der StZ-Redakteur Reiner Ruf.

Stuttgart - Beim Nachdenken über das Prinzip der Gewaltenteilung, so wie es John Locke und Montesquieu vor – grob gerechnet – dreihundert Jahren in das europäische Staatsrecht einbrachten, wird gemeinhin vor allem eine Gefahr thematisiert: die Überwältigung des Parlaments durch die Regierung, also die Ausschaltung der Legislative durch die Exekutive. Stefan Mappus kommt das zweifelhafte Verdienst zu, diesen Diskurs mit einer für unsere Zeit durchaus neuen Variante radikalisiert zu haben. Der Ministerpräsident der 15 Monate (Februar 2010 bis Mai 2011) brüskierte in seinem Bemühen um den EnBW-Rückkauf nicht nur das Parlament, sondern auch die Regierung samt deren Apparat. So etwas nannte man einst Autokratie – Selbstherrschaft. Die CDU ließ ihn gewähren.

 

Wobei es mit dem „Selbst“ im Fall Mappus so eine Sache ist. Ganz sicher wollte er den Deal, strebte ihn mit Macht an und war bereit, dafür versuchsweise auch die von der Verfassung gesetzten Grenzen zu überschreiten. Doch lieferte er sich bei diesem Tun ganz seinem Freund, dem Investmentbanker Dirk Notheis, aus. Der Banker Notheis, nicht der Politiker Mappus hielt die Zügel in der Hand. Womöglich war jener sogar der Inspirator des Geschäfts, dieser nur der Empfänger einer fremden Idee.

Am Regierungsapparat vorbei gehandelt

Der Bericht des Rechnungshofs legt dar, was der Untersuchungsausschuss des Landtags zuvor schon in grellen Farben ausgeleuchtet hatte: Am Regierungsapparat ging der Deal vollständig vorbei. Natürlich war es richtig, eine renommierte Anwaltskanzlei einzuschalten, um die Frage des Parlamentsvorbehalts bei diesem Milliardengeschäft zu erörtern. Es darf aber nicht sein, dass sich diese verfassungsrechtliche Diskussion im Wesentlichen zwischen dem Anwalt und dem Investmentbanker abspielt, der Ministerpräsident lediglich mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter vom – Überraschung! – positiven Ergebnis unterrichtet wird. Externe Expertise ist nötig, sie bedarf aber einer eigenständigen Bewertung durch die staatliche Hoheitsgewalt.

Selbstverständlich wurde auch eine Investmentbank benötigt, um den Kauf abzusichern. Leider kommen die Rechnungsprüfer zu dem Ergebnis, dass das, was Morgan Stanley lieferte und Mappus akzeptierte, den Anforderungen der Landeshaushaltsordnung nicht genügt. So ergibt sich das deprimierende Bild der Auslieferung des Gemeinwohls an eigennützige Interessen, denen es – wie Mappus – um den nächsten Wahlerfolg oder – wie Notheis – um die Platzierung von Morgan Stanley auf der League table, der Rangliste der Investmentbanken geht. Der Politiker als Marionette des Bankers – schlimmer kann es kaum kommen.

Mappus wird am Ende von den Wählern gestoppt

Mit Grausen geht der Blick zurück auf die Jahre des Börsenhypes, in denen nicht alle, aber viele Politiker jedes Wort aus Bankers Mund wie Manna aufnahmen. Später, die Finanzmarktkrise hob an, durfte man bei Josef Ackermann stets rätseln, ob er als Berater von Kanzlerin Merkel zuerst an die Interessen der Deutschen Bank oder an jene des Staates dachte. Im Zweifel waren sie für ihn deckungsgleich. Bis heute schreiben die Berliner Lobbyisten die Gesetze, die sie angehen, auch selbst – als Zu- und Mitarbeiter der Bundesministerien.

Und doch gilt es im Fall Mappus das Besondere im Auge zu behalten. Der chronisch misstrauische CDU-Mann vertraute nicht dem Investmentbanker Notheis, sondern dem Freund und innerparteilichen Kampfgefährten, der es zum Deutschlandchef von Morgan Stanley gebracht hatte. Nur in dieser speziellen Konstellation konnte es zum EnBW-Deal kommen. Allzu enge Bande indes wecken Misstrauen. Das war auch bei Mappus so, der verloren hatte, als die zentrale Rolle von Notheis ruchbar wurde. Am Ende wurde Mappus von den Wählern gestoppt. Die waren dann doch nicht so dumm, wie er immer wähnte.