Werner Wölfle, Ex-Fraktionschef der Grünen, muss sich als Bürgermeister ändern. Und bleibt sich treu. Ein Besuch in seinem neuen Büro.

Stuttgart - Nun hat er das rettende Ufer doch noch erreicht, ist Bürgermeister geworden für die allgemeine Verwaltung und die Krankenhäuser. Werner Wölfle hat, quasi mit einjähriger Verspätung, sein Ziel erreicht. Seine Amtsstube mit Blick auf den Marktplatz ist noch unfertig: keine Bilder an den Wänden, blau-bunte Gabbehteppiche auf dem Boden, denen man ihr Alter ansieht. Dazu ein runder Tisch mit abgewetzter Holzplatte - der diente einst Wolfgang Schuster, als der OB noch der Kulturbürgermeister war. Eine gefühlte Ewigkeit ist das her. "Der runde Tisch kommt raus", sagt Werner Wölfle, "ich möchte einen langen, rechteckigen dafür - denn der Chef muss immer oben sitzen." Mit Chef meint er sich selbst.

 

Da wird die grüne Ratsfraktion, in der die meisten nicht unfroh sind, ihren Frontmann endlich los zu sein, im Stillen aufjaulen: Ein grüner Realo, wie er im Buche steht, ihr knallhart-pragmatischer Werner Wölfle, der mag keinen runden Tisch - verachtet wohl diese schöne politische Metapher. Stattdessen will er den Chef geben. Sie haben es ja immer gewusst: ihr Werner, der als Fraktionschef seine "Truppe" ein ums andere Mal in den Senkel gestellt hat, allzu begriffsstutzige "Freundinnen" unsanft auf den richtigen Weg in der Kommunalpolitik schubste - dieser Werner hat die Seite gewechselt, vom Volksvertreter auf die Bürgermeisterbank. Das kann ja noch heiter werden mit dem Herrn Beigeordneten.

Mit dem Aufzug in den zweiten Stock

Werner Wölfle - graues Polohemd, helle Jeans - sitzt lässig in einem schwarzen Ledersessel und macht sich über sich selbst lustig: "An meinen ersten Amtstagen ist es mir passiert, dass ich morgens, wenn ich ins Rathaus kam, erst mal ein paar Schritte in Richtung Fraktionszimmer gelaufen bin - die Macht der Gewohnheit." Doch schnell habe er seine neue Rolle gefunden: "Ich fahre mit dem Aufzug in den zweiten Stock." Das darf man durchaus politisch-geografisch verstehen: Ihr da unten, ich da oben. Wölfle weiß, dass einige seiner sogenannten Parteifreunde bis zuletzt daran gezweifelt haben, ob er wirklich das Zeug zum Bürgermeister besitzt. Wölfle sagt: "Ich habe jetzt eine politische Aufgabe - keine parteipolitische Aufgabe mehr." Und: "Es ist nicht mehr mein Bestreben, jeden Tag in der Zeitung zu stehen, sondern ich will etwas umsetzen." Die 17 Jahre als Stadtrat, davon 15 an der Fraktionsspitze, verstehe er als Lehrzeit für das Amt, in das ihn der Gemeinderat nun auf acht Jahre gewählt habe.

Apropos Gemeinderat. Die Tatsache, dass ihm am 27. Juli nur 39 von 56 anwesenden Ratsmitgliedern ihre Stimme gegeben haben, war ein Schönheitsfehler - etwas mehr als vierzig hätten es schon sein dürfen. Aber Wölfle kennt das Geschäft: "Seit der Kommunalwahl, schon gar seit der Landtagswahl, ist das Klima im Gemeinderat rauer geworden." Doch das Wahlergebnis, sagt er tapfer, habe er abgehakt, ebenso die Niederlage vor einem Jahr, als er im Wettstreit um das Amt des Sozialbürgermeisters gegen die FDP-Bewerberin Isabel Fezer unterlag.

Eine andere Aufgabe als Stuttgart 21

So ganz mag man dem 58-Jährigen das nicht abnehmen. Werner Wölfle ist den Menschen zugetan, sein soziales Engagement ist keine Attitüde. Dieser Mann ist ein Vernunftsmensch - umso mehr nervt ihn der Streit über Stuttgart 21. "Nein, auf der Montagsdemo spreche ich nie wieder, das lässt mein neues Amt nicht zu." Unausgesprochen schwingt da mit, dass er im Grunde seines Herzens froh ist, es nicht mehr tun zu müssen. "Wer mich kennt, der weiß, wie ich über S21 denke - aber jetzt hab' ich andere Aufgaben." Wölfle würde gerne Everybody's Darling sein, aber seine Jahre im politischen Geschäft, zumal bei den häufig recht herzlosen Grünen, haben ihn vorsichtig werden lassen, mitunter sogar misstrauisch.

Im Rathaus freilich, wo er die Verantwortung für fast 6200 Leute im Klinikum, für 160 auf den Bezirksämtern und weitere 500 im Haupt- und Personalamt trägt - da hat er gleich in seinen ersten Tagen für einiges Aufhorchen gesorgt: "Als ich ins Haupt- und Personalamt kam, haben die gestaunt: hier war unser Bürgermeister noch nie." Und zu wichtigen Besprechungen lädt der neue Ressortchef nicht nur die Amtsleiter, sondern auch deren kundige Mitarbeiter ein - die hatten das Büro ihres Beigeordneten noch nie betreten. Nun, Klaus-Peter Murawski, Wölfles Vorgänger, regierte seinen Bereich eher präsidial und etwas großbürgerlich, seinem Nachfolger kommt keine Silbe über "Muris" Amtszeit über die Lippen. Dieser lenkt jetzt die Staatskanzlei. Und das ist gut so.

Nein, Programmatisch-Inhaltliches hat Werner Wölfle noch nicht zu verkünden. Nur so viel: wenn es im Herbst um den Haushalt geht, wird er in Sachen neues Personal Flagge zeigen. Die Stadt braucht neue Mitarbeiter und die, die da sind, müssen neu motiviert werden. Bei der Einarbeitung in seinen neuen Job fällt Wölfle die harte Sparpolitik des Rates, fallen ihm auch so manche Grünen-Anträge, die seine eigene Unterschrift tragen, quasi auf die Füße. Doch soll sich mal nur keiner irren: Wölfle bleibt Wölfle - und so einer lernt schnell. Neues Amt, neue Sicht.

Vom Sozialarbeiter zum Bürgermeister

Lebenslauf Werner Wölfle wurde 1953 in Konstanz geboren. Nach Grundschule, Gymnasium und Abitur in seiner Heimatstadt hat er an der Fachhochschule in Reutlingen Sozialpädagogik studiert. Seit mehr als 25 Jahren lebt der Vater von zwei erwachsenen Kindern in Stuttgart.

Berufsweg Von 1992 bis 2006 war Werner Wölfle Bereichsleiter bei der Caritas Stuttgart im Bereich Jugend- und Familienhilfe. In dieser Zeit hat er unter anderem das Haus49 im Norden gegründet, in dem straffällig gewordene Jugendliche resozialisiert werden, außerdem den „Schlumpfwinkel“, in dem obdachlose Kinder und Jugendliche betreut werden.

Politik 1994 wurde Werner Wölfle für die Grünen zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt. Von 1996 bis vor wenigen Wochen war er einer der Sprecher und Vorsitzenden der Grünen-Ratsfraktion. Zwischen 1999 und 2004 saß er für die Grünen im Regionalparlament. Bei der Landtagswahl 2006 zog Wölfle über ein Zweitmandat im Filderwahlkreis erstmals in den Landtag ein, bei der Wahl am 27.März dieses Jahres eroberte er sogar das Direktmandat. Am 27. Juli wurde Wölfle zum neuen Bürgermeister für allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser gewählt. Ende 2011 wird er sein Landtagsmandat abgeben.