Noch weist die CDU die Rücktrittsforderungen zurück. Doch in der Partei wachsen Zweifel, ob Landtagspräsident Willi Stächele zu halten ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Landtagspräsident Willi Stächele steht unter wachsendem Druck, Konsequenzen aus dem Urteil des Staatsgerichtshofs zum EnBW-Deal zu ziehen. SPD und Grüne wollen nächste Woche im Landtag den Verfassungsbruch thematisieren, den die Richter dem früheren Finanzminister und dem Ex-Ministerpräsidenten Stefan Mappus (beide CDU) bescheinigt hatten. Sie beantragten für Mittwoch eine aktuelle Debatte zu den Folgen des Urteils. Danach haben sich Stächele und Mappus zu Unrecht auf eine Notbewilligungsklausel gestützt, als sie im Alleingang fast fünf Milliarden Euro für den Kauf der EnBW-Anteile ausgaben.

 

Die Fraktionschefs von Grünen und SPD bekräftigten am Freitag ihr Rücktrittsforderung an Stächele. Es wäre "für das Parlament eine unerträgliche Belastung", wenn er im Amt bleiben sollte, sagte Edith Sitzmann (Grüne); auch für die CDU würde dies ein "Dauerproblem" darstellen. Sitzmann warf den früheren Regierungsparteien vor, sie hätten ein "rechtliches und finanzielles Desaster angerichnet". Die CDU müsse "endlich zu ihrer Mitverantwortung stehen" und dürfe nicht länger - wie Fraktionschef Peter Hauk - mit "abenteuerlichen Argumentationen" davon ablenken, sagte die Grünen-Vorfrau. Hauk solle einsehen, dass der EnBW-Deal auch "ökonomisch unsinnig" gewesen sei, weil die Aktien zu einem überhöhten Preis gekauft wurden; sie haben seither etwa eine Milliarde Euro an Wert verloren.

Bis jetzt lehnt Stächele Konsequenzen ab

Der SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel geht davon aus, dass Stächele von sich aus zurücktritt. "Manchmal müssen solche Prozesse reifen", sagte er der dpa. Bis jetzt lehnt der Landtagspräsident Konsequenzen ab. Er habe die Milliarden "nach bestem Wissen und Gewissen im Interesse des Landes" bewilligt, sagte er nach dem Urteil. "Zu keiner Sekunde ging es um eine Missachtung von Parlamentsrechten." Genau dies hatte ihm jedoch der Staatsgerichtshof bescheinigt. Stächele begrüßte das Urteil insofern, als es "für alle Beteiligten Klarheit" schaffe.

Nach Peter Hauk stellte sich am Freitag auch die Fraktionsspitze hinter Stächele. In einer Schaltkonferenz lehnte sie einen Rücktritt als unnötig ab. Zur Begründung hatte Hauk einen Nebenaspekt aus dem Urteil herausgegriffen: Für den Fall von geheimhaltungsbedürftigen Aktiengeschäften enthalte die aus dem Jahr 1953 stammende Verfassung gar keine Regeln. Diese Lücke könne man gerne schließen, bot der CDU-Fraktionschef den anderen Fraktionen an. Fraktionsintern wird argumentiert, nicht Stächele, sondern Mappus sei in erster Linie für den Verfassungsbruch verantwortlich. Der frühereMinisterpräsident reagierte zunächst nicht auf eine StZ-Anfrage, was er zum Urteil des Staatsgerichtshofs sage.

Stächele kann nur selbst zurücktreten

An der CDU-Basis wachsen derweil die Zweifel, ob Stächele wirklich zu halten sei. Das Urteil sei zu eindeutig, um ihn als Landtagspräsidenten dauerhaft im Amt zu lassen, hieß es. Je länger die Fraktion Stächele stütze, desto größer werde der Schaden für die Partei. Die Rolle Hauks wird mit wachsendem Unverständnis beobachtet: Er versäume gerade eine Gelegenheit, die Südwest-CDU glaubhaft zu erneuern. Stächele kann nicht abgesetzt werden, sondern nur selbst zurücktreten.

Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kündigte an, das Urteil in der nächsten Sitzung ausführlich zu beraten. Zur Rücktrittsforderung der Jungen Liberalen an Stächele äußerte er sich nicht. SPD und Grünen riet Rülke, "intensiv nachzudenken"; sie hätten beim EnBW-Deal schließlich "auch zunächst gejubelt".

Staatsanwaltschaft will keine Ermittlungen aufnehmen

SPD und Grüne regten derweil an, nach dem Urteil Schadenersatzansprüche gegen die beteiligten Politiker und Berater zu prüfen. "Inzwischen ist ein Schaden von einer Milliarde Euro eingetreten", sagte Schmiedel. Möglicherweise könnten auch die Investmentbank Morgan Stanley (mit Mappus' Freund Dirk Notheis an der Deutschlandspitze) und die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz in Regress genommen werden. Mappus hatte sich bei seinem Vorgehen auf ein angeblich zunächst mündlich erstattetes Gutachten von Gleiss Lutz gestützt. Auch Sitzmann plädierte dafür, alle rechtlichen Möglichkeiten wahrzunehmen. Nach StZ-Informationen wird die Regierung entsprechende Schritte prüfen. Experten halten es aber für schwierig, Pflichtverletzungen nachzuweisen und Ansprüche durchzusetzen. Weder Morgan Stanley noch Gleiss Lutz äußerten sich am Freitag auf Anfragen der StZ.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sieht auch nach dem Urteil keinen Anlass, Ermittlungen gegen Mappus oder Stächele - etwa wegen Untreue - aufzunehmen. Die verfassungsrechtliche Bewertung sei strafrechtlich nicht relevant, hieß es. Die Behörde kann nach wie vor weder einen Vermögensschaden noch eine Vermögensgefährdung erkennen.

Stächele droht derweil eine weitere juristische Niederlage. Anfang Dezember wird das Verwaltungsgericht Stuttgart über die Ablösung des bisherigen Landtagsdirektors Ulrich Lochmann verhandeln. Unmittelbar nach seiner Wahl hatte Stächele ihn völlig überraschend in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Lochmann wehrt sich gegen den Rauswurf und die Einstufung als politischer Beamter, der jederzeit abgelöst werden kann. Sollte seine Klage erfolgreich sein, wäre dies eine weitere Blamage für Stächele - sofern er dann noch im Amt ist.