Teile der SPD halten die Wahl von Kretschmann noch nicht für sicher, weil es Unmut bei den Grünen gebe. Wölfle weist das empört zurück.

Stuttgart - Bei der SPD gibt es Zweifel, ob alle grünen Abgeordneten ihren bisherigen Fraktionschef Winfried Kretschmann am kommenden Donnerstag zum Ministerpräsidenten wählen. „Da gibt es Enttäuschte“, hieß es am Freitag in SPD-Kreisen in Stuttgart. Hinzu komme, dass der Grünen-Fraktionsvorstand noch nicht neu gewählt sei. Somit fehle jemand, der die Reihen zusammenhält. Es könnte also knapp werden. Denn Grün-Rot hat gerade einmal vier Stimmen mehr als CDU und FDP im Landtag.

 

Bei der SPD wird befürchtet, dass die Stuttgarter Grünen-Politiker Muhterem Aras und Werner Wölfle aus Frust darüber, nicht im grün-roten Kabinett zu sitzen, ihrem Vormann einen Denkzettel verpassen. Die beiden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat, Aras und Wölfle, hatten bei der Landtagswahl jeweils ein Direktmandat geholt. Der profilierte Stuttgart-21-Gegner Wölfle war als Verkehrsminister gehandelt worden. Kretschmann entschied sich jedoch für den Tübinger Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann.

Wölfle weist Verdächtigungen zurück

Wölfle wies die Verdächtigungen des künftigen Koalitionspartners postwendend zurück. Er sagte der dpa: „Die SPD sollte bei sich Witterung aufnehmen. Wir sind alle sehr verantwortungsvolle Landtagsabgeordnete. Persönliche Enttäuschungen gibt es, aber die Unterstellungen sind lächerlich bis unverschämt.“ Als weitere potenzielle Grünen-Abweichler werden die bisherige Fraktionsvize Bärbl Mielich und der Landtagsabgeordnete Reinhold Pix genannt. Der Agrarexperte Pix hatte in Freiburg einen Wahlkreis erobert, musste aber dem Emmendinger Bundestagsabgeordneten Alexander Bonde den Vortritt beim Landwirtschaftsministerium lassen. Bonde wird Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

Grüne (36 Mandate) und SPD (35) haben im Landtag gemeinsam 71 Abgeordnete, CDU (60) und FDP (7) zusammen 67 Parlamentarier. Bei der SPD wird versichert, alle 35 Abgeordneten würden den 62-jährigen Kretschmann wählen. SPD-Landeschef Nils Schmid hatte erklärt, er habe daran keine Zweifel. Der Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel betonte: „Wir stehen wie eine Eins.“ Das habe auch die Probeabstimmung in der Fraktion gezeigt, bei der Kretschmann einstimmig gewählt wurde.

Kretschmann rechnet mit Erfolg im ersten Wahlgang

Kretschmann selbst rechnet damit, dass er bereits im ersten Wahlgang zum Regierungschef gekürt wird. Alle wüssten, was auf dem Spiel steht. „Deshalb plagt es mich nicht wirklich“, sagte er dem „Mannheimer Morgen“. Dennoch werde die Wahl spannend. „Doch da bin zuversichtlich, obwohl es eine knappe Mehrheit ist. Man hat ja schon so einiges erlebt. Ich denke da nur an die Frau Simonis in Schleswig-Holstein.“ Die SPD-Politikerin war 2005 bei ihrer Wiederwahl zur Ministerpräsidentin in vier Wahlgängen durchgefallen.

Kritik an seiner Personalauswahl wollte Kretschmann nicht gelten lassen. „Ob da einer mehr aus der Bundestagsfraktion kommt, ist eine ganz nachrangige Frage. Solche Maßstäbe finde ich unangemessen, um nicht zu sagen kleinkariert.“ Die potenzielle Landtagspräsidentin Brigitte Lösch von den Grünen ist „fest davon überzeugt, dass alle Winfried Kretschmann wählen“. Die Grünen hätten nach dem Vertrauensbeweis der Wähler eine große Verantwortung, sagte sie der dpa. Sie räumte ein, dass es in der Fraktion „persönliche Verletzungen“ gebe. Aber die langjährige Sozialexpertin der Fraktion ist sich sicher: „Unsere Kolleginnen und Kollegen können das trennen.“ Schließlich sei Kretschmann „so glaubwürdig wie fast kein anderer“.

Lösch und Aras hatten in der jüngsten Fraktionssitzung ihr Interesse an dem Posten des Landtagsvize-Präsidenten bekundet. Dem Vernehmen nach gibt es in der Fraktion Bestrebungen, die neue Abgeordnete Aras zu überzeugen, besser als Fraktionsvize zu kandidieren.