Mappus erhofft sich Entlastung vom Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal. Aber auch in der CDU wächst das Unbehagen über das Agieren des früheren Chefs.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Stefan Mappus haute mal wieder auf die ganz große Pauke. "Skandalös" sei es, schimpfte der Ex-Ministerpräsident zu Wochenbeginn, was sich die grün-rote Regierung mit ihrem Bericht fürden EnBW-Untersuchungsausschuss leiste: Eine ihn entlastende Mail der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz sei dem Landtag bewusst vorenthalten worden, ebenso wie anderes Material. "Ich werde diese Form von Geschichtsklitterung nicht zulassen...", empörte sich Mappus.

 

Am Ende der Woche erweist sich sein Zorn als fehlgeleitet. Erst räumte die Investmentbank Morgan Stanley kleinlaut ein, dass man die fragliche Mail zunächst vergessen und dann nachträglich in den Datenraum eingestellt habe. Es handele sich um ein Versehen, keine Absicht. Dann bekannte auch Gleiss Lutz zerknirscht, die Mail habe in den Akten fürs Staatsministerium gefehlt. Bei der Fülle der Korrespondenz könne das schon mal passieren.

Die Investmentbank und die Kanzlei übersehen unter Tausenden Papieren unabhängig voneinander just die gleiche Mail - das müsste schon ein unglaublicher Zufall sein. Dass beide Berater beim EnBW-Deal sich abgestimmt haben, der Regierung etwas vorzuenthalten, und Mappus so in die Irre laufen ließen, ist indes ebenfalls schwer vorstellbar - es wäre schlichtweg ungeheuerlich. So oder so: das Rätsel um die Mail bleibt vorerst ungelöst.

Notbewilligungsrecht der Verfassung könnte genutzt werden

Für den Ex-Premier ist sie deshalb so wichtig, weil sie den Vorwurf zu entkräften scheint, er habe das Milliardengeschäft gegen rechtliche Warnungen am Landtag vorbei abgeschlossen. Tatsächlich bestätigt der Gleiss-Lutz-Anwalt Martin Schockenhoff darin, dass man das eigentlich für Naturkatastrophen vorgesehene Notbewilligungsrecht in der Verfassung nutzen könne; dazu wird nur der Finanzminister, nicht aber der Landtag benötigt. Wie es zu dieser Einschätzung kam, dürfte eine der zentralen Fragen im Ausschuss sein.

Denn die Rechtsexperten hatten zunächst erhebliche Bedenken, auf die Klausel zurückzugreifen. "Grundsätzlich brauchen wir die Zustimmung des großen Gremiums", also des Landtags, schrieb Schockenhoff noch am Freitag an den Mappus-Freund und Deutschlandchef von Morgan Stanley, Dirk Notheis. Es gebe zwar Ausnahmen für unvorhergesehene und unabweisbare Ausgaben. "Hier aber eher kein solcher Ausnahmefall", lautete sein Fazit. Daher brauche man wohl den Parlamentsvorbehalt, den der EdF-Chef Henri Proglio als Verkäufer offenbar strikt ablehnte.

Für Mappus ging es um alles oder nichts. Die Alternative wäre gewesen, das gesamte Geschäft (interner Codename: "Olympia") abzublasen - jenen Deal, den er so dringend brauchte, um Wirtschaftskompetenz zu demonstrieren. Vielleicht spürten die Anwälte diese Erwartungshaltung und wollten den Wunsch des Mandanten irgendwie erfüllen. Dass sie sich dabei auf riskantes Terrain begaben, war ihnen bewusst: Sogar die Aussichten einer Klage vor dem Staatsgerichtshof sollen intern erörtert worden sein - eine nur zu begründete Sorge: Das Gericht verurteilte den Aktienkauf später als glatten Verfassungsbruch. Warum die Warnungen später vom Tisch gewischt wurden, gilt es nun aufzuklären.

Preis der EnBW-Aktie zu hoch?

Auch der angeblich dringende Handlungsbedarf war nach dem Regierungsbericht wohl eher konstruiert. Es gab mitnichten konkrete andere Interessenten, die dem Land den EnBW-Anteil der EdF hätten wegschnappen wollen. So jedenfalls geht es aus einem Dokument der PR-Berater von Hering Schuppener hervor, von denen sich Mappus für "ugly questions" - hässliche Fragen - wappnen ließ.

Die vorgeschlagene Sprachregelung übernahm er später fast eins zu eins: Man habe vorsorglich gehandelt, ehe die EnBW - "ein Herzstück der Infrastruktur unseres Landes" - zum Gegenstand von Spekulationen werde. Damit wurde auch davon abgelenkt, dass wegen der Vereinbarung der Großaktionäre vor Ende 2011 nichts passieren konnte.

Ein weiterer zentraler Punkt ist für den Ausschuss die Frage des Kaufpreises: War er überhöht, wie die einstige Opposition alsbald argwöhnte? Als Mappus zehn Tage vor Vertragsschluss mit EdF-Chef Proglio telefonierte, war man schon nah beieinander: Er selbst sah den Aktienwert bei 39,90 Euro, der Franzose verlangte 40 Euro - und bekam sie später, zuzüglich der Dividende. Der Streit, ob eine umfassende Unternehmensbewertung - eine sogenannte Due-Diligence-Prüfung - stattgefunden habe, dreht sich auch um Definitionsfragen.

Schadet Mappus der CDU?

Bei einer klassischen Due Diligence werden auch interne Unternehmensdaten ausgewertet. Beim EnBW-Deal stützte man sich indes nur auf öffentlich zugängliche Informationen, wohl wegen der strikten Geheimhaltung. Morgan Stanley selbst sprach lediglich von einer "fairness opinion", die jedoch ebenfalls auf einer umfassenden Analyse beruhe.

Selbst in den Reihen der CDU wachsen angesichts dieser Sachlage die Zweifel, ob der Ausschuss Mappus die erhoffte Rehabilitierung bringen wird. Dies könne nicht das Ziel des Gremiums sein, mahnte jetzt der Landeschef der Jungen Union, Nikolas Löbel. Wenn der Ex-Premier weiterhin in seiner "altbewährten Art und Weise" agiere, drohe die CDU Schaden zu nehmen. Es gebe "keine Wiederherstellung seiner womöglich verlorenen Ehre auf Kosten der Partei", sagte der 25-Jährige der Nachrichtenagentur dpa.

Auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk stellte daraufhin klar, es gehe "nicht um die Rehabilitierung von Personen", sondern um die Nachvollziehbarkeit von Regierungshandeln. Die Personalentscheidungen der Fraktion sprechen indes eine andere Sprache: Mit dem Ex-Minister Ulrich Müller als Ausschussvorsitzendem und dem Fraktionsgeschäftsführer Volker Schebesta als Obmann nominierte sie zwei treue Mappus-Gefolgsleute. Schebesta gab prompt zu erkennen, wem seine Loyalität gehört: Zu einer CDU-internen Sitzung lud er den künftigen Zeugen Mappus ein, ohne Fraktionschef Hauk zu informieren.

Mappus und Notheis - zwei Freunde als erste Zeugen

Auftakt Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und der Deutschlandchef der Investmentbank Morgan Stanley, Dirk Notheis (CDU), sollen am 9. März als erste Zeugen vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss aussagen. Dies hat der Ausschuss bei seiner ersten nichtöffentlichen Arbeitssitzung am Freitag beschlossen. Insgesamt sollen 46 Zeugen aus den Reihen der Politik und aller anderen Beteiligten gehört werden. Für den 30. März sind Ex-Staatsminister Helmut Rau und Ex-Finanzminister Willi Stächele vorgesehen. Auch die Ex-Minister Ulrich Goll, Ernst Pfister und Tanja Gönner werden geladen.

Aussage Der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller soll auch den Vorstandschef der Électricité de France (EdF), Henri Proglio, um eine Aussage vor dem Ausschuss bitten. Zwingen kann man Proglio wohl nicht. Alternativ wird eine schriftliche Befragung oder eine Reise nach Frankreich erwogen. Unterdessen wurde bekannt, dass ein Journalist der FAZ am Vorabend des EnBW-Rückkaufs Zeuge des Geschehens im Staatsministerium sein durfte - offenbar auf Initiative von Mappus' PR-Beratern.