Daimler hat einen ersten Ausblick auf den geplanten Pick-up von Mercedes-Benz gegeben, der Ende nächsten Jahres als X-Klasse auf den Markt kommen soll.

Stuttgart - Daimler will als Pionier ein neues Marktsegment erobern. Als erster Premiumhersteller wollen die Stuttgarter einen Pick-up auf die Straße bringen. In Stockholm hat der Stuttgarter Autohersteller am Dienstagabend eine Fahrzeugstudie des geplanten Pritschenwagens präsentiert und damit einen ersten Ausblick auf die neue Baureihe geben, die X-Klasse heißen wird. „Mit dem Pick-up von Mercedes-Benz schließen wir eine der letzten Lücken in unserem Portfolio“, sagte Vorstandschef Dieter Zetsche bei der Vorstellung des Konzeptfahrzeugs. Daimler wolle jedem Kunden das genau zu seinem Einsatz passende Fahrzeug bieten. „Die X-Klasse wird dabei neue Standards in einem wachsenden Segment setzen“, kündigte Zetsche an. Bis zur Markteinführung Ende nächsten Jahres will Daimler, wie es heißt, einen hohen dreistelligen Millionenbetrag (Euro) in die Entwicklung dieser neuen Baureihe investieren.

 

Die Stuttgarter konzentrieren sich auf mittelgroße Pick-ups

Nach einer Studie der Analysten von IHS Global Insight wurden im vergangenen Jahr weltweit 4,8 Millionen Pick-ups verkauft, wobei die Marktforscher dabei drei Segmente unterscheiden. Den Löwenanteil machen mit 2,6 Millionen Wagen die besonders in Amerika beliebten großen Fahrzeuge aus, rund zwei Millionen entfallen auf mittelgroße Pick-ups und rund 0,2 Millionen sind kleinere Wagen, die vor allem in Asien verkauft werden.

Weltweit liegen die zu den großen Pick-ups zählenden Ford F-150 sowie der Chevrolet Silverado an der Spitze der Verkaufsrangliste, gefolgt vom mittelgroßen Hilux von Toyota. Daimler will sich mit der neuen X-Klasse indes nicht mit den Marktführern von Ford und Chevrolet anlegen. Die Stuttgarter konzentrieren sich stattdessen auf das Segment der mittelgroßen Fahrzeuge, weil Marktforscher hier die besten Wachstumsperspektiven sehen.

Gemeinschaftsprojekt mit Renault-Nissan

Als einziger deutscher Autohersteller ist bisher Volkswagen mit dem Amarok in dieser Gewichtsklasse vertreten. Nach der Studie von IHS Global Insight soll der Absatz in diesem mittleren Segment bis 2025 weltweit von 2,0 auf 2,8 Millionen Wagen zulegen. Als wichtigste Märkte für die neue X-Klasse nimmt Daimler Argentinien, Brasilien, Südafrika, Australien und Europa ins Visier. Den aktuell größten Anteil am gesamten Fahrzeugmarkt haben mittelgroße Pick-ups laut Daimler derzeit mit 14,1 Prozent in Australien, dicht gefolgt von Argentinien mit 11,6 Prozent. In Brasilien liegt der Marktanteil bei fünf Prozent, in Europa sind sie eine Randerscheinung. In Deutschland sind es lediglich 0,5 Prozent. Nach Einschätzung des Stuttgarter Autobauers ist gerade der Markt der mittelgroßen Pick-ups weltweit im Umbruch. Die Wagen seien zunehmend nicht nur als reine Nutzfahrzeuge gefragt, sondern werden zunehmend auch als Fahrzeuge für die gleichzeitig private und berufliche Nutzung sowie die rein private Nutzung immer beliebter.

Der Anteil privat genutzter Pick-ups wachse seit Jahren stetig. Entsprechend habe sich die Doppelkabine als dominierende Karosserieform durchgesetzt, da sie bis zu fünf Personen Platz biete. Private sowie gewerbliche Kunden fragen laut Daimler zunehmend Fahrzeuge mit Pkw-typischen Eigenschaften und komfortabler Ausstattung nach. Als Zielgruppen für die neue X-Klasse hat Daimler beispielsweise Bauunternehmer, Architekten, Dienstleister und Landwirte im Blick, aber auch sportlich aktive Familien, die etwa Platz für ein Boot, Fahrräder oder viel Platz für Gepäck beim Wochenendausflug benötigen.

Die neue X-Klasse wird als Gemeinschaftsprojekt mit dem Allianzpartner Renault-Nissan ins Rennen gehen. Die Technik des ersten Pick-up von Mercedes-Benz basiert auf dem Nissan Navarra. Nissan ist laut Daimler weltweit die Nummer zwei unter den Herstellern mittelgroßer Pick-ups mit einer Tonne Zuladung. Durch die Bündelung der Kräfte wollen die Stuttgarter möglichst schnell und kostengünstig in dieses neue Segment einsteigen. Die Wagen für den europäischen, australischen und südafrikanischen Markt sollen vom nächsten Jahr an im Nissan-Werk in Barcelona hergestellt werden, die X-Klasse für den südamerikanischen Markt soll ab 2018 im Renault-Werk im argentinischen Cordoba produziert werden. Zu den Preisen macht Daimler noch keine Angaben. Die Baureihe werde in diesem Segment „preislich attraktiv positioniert sein“, heißt es lediglich.

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Duisburger Forschungszentrums Car, beurteilt den Vorstoß von Daimler positiv. „Das ist ein gutes Experiment. Schief gehen kann nicht viel, gewinnen kann man doch einiges“, meint Dudenhöffer. Durch die Gemeinschaftsaktion mit Renault-Nissan seien die Kosten überschaubar, gleichzeitig habe der Stuttgarter Autobauer jedoch die Chance, als erster Premiumhersteller von einem neuen Trend zu profitieren. „Die Welt ändert sich“, sagte Dudenhöffer und erinnerte daran, dass es vor einigen Jahrzehnten kaum jemand damit gerechnet habe, dass Geländewagen einmal eine so große Bedeutung für Premiumhersteller bekommen könnten.