Wohnformen, Freiräume und der Umgang mit denkmalgeschützten Bahn-Bauwerken: Nicht einmal mehr 100 Bürger wollten am Samstag bei der Gestaltung des Rosenstein-Quartiers noch mitreden.

Stuttgart - Das Interesse, sich an der Gestaltung des noch von Bahngleisen belegten künftigen Rosenstein-Quartiers zu beteiligten, hat nachgelassen. Am Samstag fanden deutlich weniger als 100 Bürger ins Rathaus. Sie machten sich in Arbeitsgruppen zum Beispiel über Wohnformen, Freiräume und den Umgang mit denkmalgeschützten Bahn-Bauwerken Gedanken. Die Auftaktveranstaltung im April hatten einige Hundert Bürger besucht.

 

„Die Beteiligung ist enttäuschend“, sagten Grünen-Stadtrat Jochen Stopper und Stadträtin Susanne Kletzin (SPD), aber die Informationen der Bahn aus den letzten Tagen zum Projekt Stuttgart 21 seien wenig motivierend gewesen. Bahn-Vorstand Volker Kefer hatte vor dem Aufsichtsrat Kosten- und Terminprobleme eingeräumt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die neue Infrastruktur mit dem Tiefbahnhof nicht Ende 2021, sondern erst 2023 in Betrieb geht. Entsprechend später könnten die Gleisanlagen abgeräumt und die Flächen bebaut werden. 7000 Wohnungen für 20.000 Menschen nennt die Stadt als Planzahlen.

Ende 2018 soll klar sein, was zurückgebaut wird

Jetzt in die Planungen zu starten sei dennoch nötig, sagt Stopper, denn Ende 2018 wolle die Bahn ihre Vorstellungen für den Rückbau der Gleise vorlegen. Dann kommt es im Gemeinderat zum Schwur darüber, welche Bauwerke erhalten bleiben sollen. Der 100 Jahre alte Gleisbogen der Gäubahn, das „Tunnelgebirge“, in dem Züge sortiert in den alten Hauptbahnhof gelenkt werden, und das Rosenstein-Betriebswerk stehen zur Debatte. Die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik und der Kunstverein Wagenhalle wollen am 8. Juli mit einer Besichtigung des Betriebswerks Nutzungsoptionen aufzeigen. Wer von 14 bis 17 Uhr dabei sein will (es gibt nur 20 Plätze) , muss sich anmelden (robinbischoff@kunstverein-wagenhalle.de).

„Die Irritationen der Bahn werden nicht dazu führen, dass die Flächen nicht frei werden“, verbreitete OB Fritz Kuhn (Grüne) am Samstag Zuversicht. 100 Jahre nach der Siedlung am Weissenhof könne die Stadt in einer neuen Bauausstellung „etwas zeigen, was für die nächsten 100 Jahre interessant ist“. Nachhaltigkeit und soziale Durchmischung müssten im neuen Stadtteil selbstverständlich sein, so Kuhn. Bauformen, die Zuschnitte von Häusern, Wohnungen und öffentlichen Plätzen seien gestaltbar.

Baugenossenschaften sollen Spielräume erhalten

Professor Tilman Harlander riet den Planern in seinem Vortrag zur „Rückkehr zur kleinmaßstäblichen Parzelle“. Gemeint sind damit Maßstäbe wie im beliebten Stuttgarter Westen, und nicht wie im Europaviertel hinter dem Bahnhof. Dort sei leider viel hochpreisiger Wohnungsbau und teils Wohnen „in abgeschotteten Komplexen entstanden“, aber keine soziale Mischung. Die Gleisgrundstücke gehören seit 2001 der Stadt. Wenn sie geförderten Wohnungsbau wolle, sollte sie über eine längere Mietpreisbindung als zehn oder 15 Jahre nachdenken. „München experimentiert mit 40 bis 60 Jahren“, sagte Harlander. Er plädierte dafür, dass Bauträgergemeinschaften und Baugenossenschaften im neuen Stadtteil „Spielräume erhalten“.

Ein Risiko sieht er für das Nordbahnhofviertel. Eine Satzung zum Milieuschutz, die dort Luxussanierungen verhindert, läuft 2022 aus. Also dann, „wenn es einen Aufwertungssog durch das neue Rosensteinviertel geben könnte“, so Harlander. Die Mieten könnten dann sprunghaft steigen. Einen Fingerzeig auf mögliche Einschränkungen bei der Bebauung gab Silke Drautz vom Amt für Umweltschutz. Für das Stadtklima sei die Erweiterung der Parkanlagen wichtig, mit Dach- und Fassadenbegrünungen müsse der Aufheizung der City durch die neue Bebauung begegnet werden.

Die Bürger wollen Grünflächen und kleinteilige Bebauung

Auch die Bürger wollen Grünflächen, Kleinteiligkeit und Vielfalt im neuen Wohngebiet. Wiesen, Wasserläufe und Teiche könne man sich vorstellen, gemeinsam genutzte Gärten und Brachflächen für kreative Geister. Der öffentliche Raum müsse zum Wohnzimmer werden, einmalige historische Ingenieurbauten der Bahn könnten neu genutzt werden, so die Ideensammlung an den Thementischen. Vielleicht müssen aber auch Gleisanalgen erhalten werden. „Wir haben zur Dimensionierung des Tiefbahnhofs noch Gesprächsbedarf, wir sehen die Stadt da nicht gut aufgestellt“, sagte Jochen Stopper. Man müsse darüber diskutieren, ob man bestehende Gleise noch brauche.

Die Bürgerbeteiligung für die 85 Hektar wird am 24. September von der Berliner Mediator GmbH fortgesetzt, dann in den Wagenhallen.