Nachwuchsförderung beim VfB Stuttgart: Der Verein will im Sommer sechs Spieler aussortieren und durch eigene, junge Talente ersetzen.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Stuttgart - Vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg kann der VfB-Manager Fredi Bobic den Personalrochaden des Gegners durchaus etwas abgewinnen. "Die haben im Winter einen radikalen Schnitt gemacht", sagt der 40-Jährige anerkennend über die Kaderveränderungen an der Dreisam, wo der neue Trainer Christian Streich zwar den Abgang von Papiss Demba Cissé zu verkraften gehabt hat, aber neben einigen Neuzugängen auch mutig mehrere junge Spieler, darunter Oliver Sorg, Jonathan Schmid und den gerade erst volljährig gewordenen Oliver Ginter in den Profikader integrierte.

 

Ähnliches hat man beim VfB auch vor, wo der Umbruch letztlich nach Saisonende in diesem Sommer vollzogen werden soll. Aus den Fehlern der Vergangenheit hat man bei den Stuttgartern offenbar gelernt: Zwar hat der Club in den zehn Transferperioden seit der letzten Meisterschaft im Sommer 2007 bundesligaweit nach Zahlen des Internetfachportals Transfermarkt.de mit einem Plus von 23,7 Millionen Euro hinter Werder Bremen (25 Millionen Euro) die zweitgrößte Summe erwirtschaftet.

"Jetzt gilt es für die Jungs, sich oben festzusetzen"

Zum Vergleich: beim VfL Wolfsburg steht in derselben Periode im Saldo von Transferausgaben und -einnahmen ein dickes Minus von 102,3 Millionen Euro. Das eingenommene Geld wurde in Stuttgart aber größtenteils in die Verbesserung der Bezüge etablierter Stars gesteckt. Das will Bobic künftig anders handhaben. Der Jugend eine Chance - so lautet sein Masterplan, nach dem die einstige Premiummarke "Die jungen Wilden" wiederbelebt werden soll.

"Wir haben wieder eine gute Generation von 18- und 19-Jährigen, die sportlich nahe an der Bundesliga dran ist", sagt der Manager. "Das gibt es nicht jedes Jahr. Jetzt gilt es für die Jungs, sich oben festzusetzen." Dabei hat Bobic vor allem ein Sextett im Auge: Da ist zunächst Raphael Holzhauser, 19, ein defensiver Mittelfeldspieler, der von Trainer Bruno Labbadia in den Bundesligaspielen auf Schalke und gegen Gladbach eingewechselt wurde. Antonio Rüdiger, 18, hat gegen Gladbach als rechter Verteidiger gar in der Startelf gestanden, ist aber ein gelernter Innenverteidiger.

Als Außenverteidiger dürfen sich Sebastian Hertner, 20 (links), und Steffen Lang, 18 (rechts und links), Hoffnungen auf einen Platz im Profikader machen. Das gilt auch für den dribbelstarken Kevin Stöger, 18, der gerne auf der Zehnerposition die Fäden zieht. Sowohl Hertner, Lang wie auch Stöger hatten aber zuletzt mit Verletzungen zu kämpfen. "Das hat sie ein wenig zurückgeworfen", sagt Bobic: "Sonst hätten wir sie vielleicht schon im Profiteam gesehen."

Im VfB-Kader müssen Plätze frei werden

Ein Kandidat ist auch der Bayer Alexander Riemann, 19, der ein schneller Außenstürmer ist; der Torhüter André Weis, 22, könnte perspektivisch Marc Ziegler als Nummer zwei ablösen. Schließlich will der VfB, dessen Personalkosten zu Champions-League-Zeiten 2008/09 auf jährlich mehr als 60 Millionen Euro angeschwollen waren, am Konsolidierungskurs festhalten. Um die Jungen zu integrieren, müssen aber Plätze im VfB-Kader frei werden, der aktuell mit 25 Profis ohnehin üppig bestückt ist.

Eine Magerkur muss vor allem her, sollte es der Club erneut nicht in den internationalen Wettbewerb schaffen, der derzeit acht Punkte entfernt ist. Auf der Abgabeseite hat Pawel Pogrebnjak nach Fulham gewechselt, ist aber bereits durch Vedad Ibisevic ersetzt worden. Da im Juni die Verträge von Stefano Celozzi, Arthur Boka sowie von Khalid Boulahrouz auslaufen und sich für die Außenverteidiger in Hertner und Lang Ersatz im VfB-Nachwuchs findet, ist klar, dass bei diesem Trio die Zeichen auf Abschied stehen.

"Wir müssen die Personalkosten weiter senken"

Weil Matthieu Delpierre, dessen Vertrag auch im Juni endet, ein Meisterspieler von 2007 ist, weil er Kapitän gewesen und lange verletzt ausgefallen ist, ist er ein Sonderfall. Der Franzose, seit 2004 beim VfB, soll allerdings nur zu deutlich gekürzten Bezügen gehalten werden. Falls Delpierre geht, dürfte Antonio Rüdiger das Innenverteidiger-Quartett mit Serdar Tasci, Maza und Georg Niedermeier komplettieren.

Im Sturm würde nach der Rochade Ibisevic für Pogrebnjak wohl nur Julian Schieber ernsthaft über einen Wechsel nachdenken, sollte sich an seiner aktuellen Situation nichts ändern. Im Mittelfeld wird es derweil wie in der Abwehr einen Umbruch geben: Der nach Nürnberg entliehene Daniel Didavi möchte gerne bei den Franken bleiben, während Timo Gebhart, der in dieser Runde erst ein Bundesligaspiel über 90 Minuten absolviert hat, mit seiner Situation beim VfB unglücklich ist - ein Vereinswechsel ist für ihn daher ein Thema.

Kein Geheimnis ist es zudem, dass man Zdravko Kuzmanovic, der stets mit Angeboten aus Italien kokettiert, bei einer angemessenen Offerte ziehen lassen würde, obwohl Bobic (aus taktischen Erwägungen?) den Serben lobt: "Zdravko ist ein Spieler, der uns sehr guttut, weil er große Fähigkeiten hat." Wäre der VfB aber wenigstens im Fall eines Kuzmanovic-Transfers zu einer externen Großinvestition auf dem Spielermarkt im höheren Millionenbereich bereit? "Mit Sicherheit nicht", sagt Fredi Bobic, "denn wir müssen die Personalkosten weiter senken."