Der VfB Stuttgart erarbeitet sich in der Fußball-Bundesliga kaum noch Torchancen. Dabei stand die Mannschaft einmal für erfrischenden Offensivfußball – was auch der Anspruch des Trainers Armin Veh ist. Aber ist das mit diesem Team zu leisten?

Stuttgart - Schlaflose Nächte wird Oliver Baumann in dieser Woche sicher nicht verbringen. Zumindest nicht vor lauter Aufregung über das baden-württembergische Derby am Samstag, wenn der Torwart mit 1899 Hoffenheim beim VfB Stuttgart antreten muss. Denn die Voraussetzungen sind so, dass sich Baumann auf einen recht geruhsamen Nachmittag einrichten kann. Der VfB hat in dieser Saison erst einen einzigen Treffer erzielt – und viel öfter haben die Stürmer auch noch gar nicht aufs Tor geschossen. Chancen gab es so gut wie keine, außer der einen einzigen, die dann zu dem Tor geführt hat – ein Déjà-vu-Erlebnis, nachdem das Team schon in der vergangenen Saison die wenigsten Möglichkeiten aller Clubs in der Bundesliga hatte. Ein Zufall ist das kaum.

 

Wenn Borussia Mönchengladbach, der 1. FC Köln und der FC Bayern ganz auf einen Keeper verzichtet hätten, wären die ersten drei Spiele dieser Runde vermutlich ähnlich ausgegangen, wie sie das dann auch in Wirklichkeit mit einem Keeper sind: 1:1, 0:2, 0:2 aus Sicht des VfB. Der Schuss ging also nach hinten los. Dabei stand die Mannschaft einmal für erfrischenden Offensivfußball – was auch der Anspruch des Trainers Armin Veh ist. Aber ist das mit diesem Aufgebot zu leisten? Können die Spieler das überhaupt? Antwort: die Zweifel werden immer größer.

Aber noch hofft Veh – darauf, dass die Spieler durch die vielen Misserfolge nur verunsichert sind, und nicht darauf, dass die Flaute eine Frage der Qualität insgesamt ist. Aber der Trainer weiß auch, dass der gegenwärtige Zustand die Folge eines langen Entwicklungsprozesses darstellt, in dessen Verlauf das defensive Gedankengut der Mannschaft eingepflanzt worden ist – speziell in den fast drei Jahren unter Bruno Labbadia verkümmerte die Kreativität Schritt für Schritt. Obwohl der ehemalige Coach offensichtlich wider die traditionelle Spielphilosophie des Vereins handelte, ließ ihn der VfB gewähren. Augen zu und durch. Während die Clubspitze unverdrossen von Angriffsfußball redete und diese Strategie sogar in den Mittelpunkt ihres Leitbilds stellte, passierte auf dem Platz das Gegenteil – mit dem Ergebnis, dass der VfB heute nicht mal mehr vor heimischer Kulisse und gegen einen biederen Gegner wie den 1. FC Köln in der Lage ist, das Spiel zu gestalten.

Die Krise des VfB Stuttgart ist hausgemacht

Dazu fehlen inzwischen auch die entsprechenden Akteure, da im Kader kaum noch Leute mit strategischen und technischen Fähigkeiten stehen – abgesehen vielleicht von Daniel Didavi. Außerdem vermisst Veh schnelle Außenbahnspieler – eine Schwäche, die durch die Transferpolitik im Sommer nicht behoben worden ist, zumal der dafür verpflichtete Filip Kostic zuvor beim FC Groningen meist nicht auf der linken Seite gespielt hat, sondern zentral hinter den Stürmern.

In diese Lage hat sich der VfB selbst manövriert. Die Krise ist hausgemacht. Und Veh fragt sich, wie der Ausweg aussieht. Ein neues Bewusstsein muss her, eine andere Mentalität. Im Training seien Ansätze zu erkennen, sagt er. Im Ernstfall aber nicht. Ohne Mut zum Risiko agiert der VfB da. Das Augenmerk liegt auf der Rückwärtsbewegung, doch so kommt das Team nicht vorwärts. Impulse bleiben aus, weil es auch keinen Führungsspieler gibt, der in einer potenziellen Abteilung Attacke vorangehen würde. So ist auch diese Hierarchie ein Problem. Christian Gentner, Sven Ulreich und Georg Niedermeier geben den Ton an – ein Gefüge, in das Dynamik kommen könnte, nachdem Ulreich und Gentner wegen ihren Leistungen von Veh jetzt kritisiert werden. Niedermeier sitzt ohnehin auf der Bank. Aber wer soll nachrücken? Bis mögliche neue Strukturen in der Mannschaft greifen, wird es dauern. Klappt es mit dem Toreschießen schneller? Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, ermuntert Veh die Spieler nun, sich auch einmal von den taktischen Vorgaben zu lösen und die Ordnung auf dem Platz aufzulösen – damit dann aus einer Unordnung heraus überraschende Spielzüge entstehen könnten, die wenigstens mal zu Chancen führen.

Denn Oliver Baumann soll nicht der nächste Torhüter werden, der gegen den VfB einen geruhsamen Nachmittag erlebt.